Siegfried
![]() | Simon Rattle | |||||
Orchester der Wiener Staatsoper | ||||||
Date/Location
Recording Type
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Siegfried | Stephen Gould |
Mime | Herwig Pecoraro |
Wotan | Tomasz Konieczny |
Alberich | Richard Paul Fink | Fafner | Mikhail Petrenko |
Erda | Janina Baechle |
Brünnhilde | Evelyn Herlitzius |
Waldvogel | Annika Gerhards |
Stage director | Sven-Eric Bechtolf (2008) |
Set designer | Rolf Glittenberg |
TV director | Dominik Kepczynski |
Siegfried döst nicht nur unter der Linde
„Siegfried“ in Sir Simon Rattles erstem Wiener „Ring des Nibelungen“: Plastische, bunt schillernde Details reihen sich mehr solide als inspiriert aneinander.
Alles relativ! Wer schon „Vorabend“ und „Ersten Tag“ des „Rings“ unter der Leitung von Simon Rattle miterlebt hatte, konnte sich nach diversen Zitterpartien nun bei „Siegfried“ vergleichsweise erleichtert zurücklehnen: Denn fast durchwegs sicher und klangschön wurde da musiziert, von den Hornrufen bis zu heikelsten Stellen wie der gnadenlos nackten, immer weiter aufsteigenden Violinkantilene, die am Beginn der Schlussszene die „selige Öde auf wonniger Höh‘“ malt, welche die Primgeigen wunderbar sauber und ruhevoll modellierten. Ja, fast – denn ausgerechnet das Vorspiel zu diesem dritten Aufzug ging Rattle zu hektisch an, worauf die schicksalsschwangere Erhabenheit der Musik im rhythmischen Wackeln verpuffte. Wäre das in aufwallender Hitze passiert, müsste kein weiteres Wort darüber verloren werden. Doch auch die Temperaturkurve des Abends lud zum Zurücklehnen ein: Immerhin gab es keine Spur von Langeweile, aber elektrisiert an die Sesselkante holte einen auch nichts. Stattdessen hantelte sich die Vorstellung gleichsam von einer schönen oder prägnanten Stelle zur nächsten.
Bereits in „Rheingold“ hatte Rattle Sinn für schlagfertige Dialoge gezeigt. Die Märchenelemente des „Siegfried“, der wenn auch etwas bärbeißige und teils musikalisch schwer gepanzerte Humor, der in den Sentenzen des Wanderers waltet, die grellen Kontroversen der balgenden Nibelungenbrüder, die ja so etwas wie orchestralen Slapstick in sich tragen, eine gewisse staunende Naivität: All das scheint Rattle wieder mehr zu liegen als die großen Emotionen und politischen Verstrickungen, die die „Walküre“ bestimmen. Vielleicht ist damit zwischen ihm und dem Staatsopernorchester der gemeinsame grüne Zweig in Sachen „Ring“ erreicht. Jetzt müsste er nur noch Blüten tragen …
Dazu wäre auch bei der zweiten Aufführung der Tetralogie ab 30. Mai noch Gelegenheit, die wie die erste ohne Michael Volle auskommen muss: Tomasz Konieczny bleibt beim Wotan, dessen Wanderer-Identität er auch diesmal mit voluminösen Phrasen und etwas verdunkelter Diktion ausstattete.
Wotan und Siegfried in der Grube
Zu tragödienhafter Größe konnte er sich in der finalen Konfrontation mit seinem unbotmäßigen Enkel Siegfried aber nicht aufschwingen. Diese spielt gleich in der Grube, aus der Wotan zuvor die im Vergleich zu „Rheingold“ etwas angestrengt klingende Erda der Janina Baechle exhumiert hat; bis dahin betont Sven-Eric Bechtolfs Regie immer wieder die Komödienelemente: Der robuste, doch auch differenziert singende Siegfried Stephen Gould sowie Herwig Pecoraro als verschlagener, leidlich präziser Mime spielen einander die szenischen Bälle mit Vergnügen zu, und auch der drastische Alberich von Richard Paul Fink hielt mit. Nicht so recht frei singen konnte sich Evelyn Herlitzius in der kurzen, aber tückischen Partie der erweckten Brünnhilde. Freundlicher Jubel für alle.
Walter Weidringer | 22.05.2015
Triumph für Simon Rattle und Stephen Gould
Es ist die 18. Aufführung in dieser Inszenierung von Sven-Eric Bechtolf gewesen. Am Pult des Orchesters der Wiener Staatsoper stand wieder der geadelte Brite Simon Rattle. Ihm liegt das sogenannte „Scherzo“ des Rings, das dem Satyrspiel der antiken Tetralogie nachgebildet wurde. Unter seiner Ägide spielte auch ein Orchester, das über eine langjährige Wagner-Erfahrung verfügt und diese Tradition mit Stolz pflegt. Besonders schönen gelangen ihm das „Waldweben“ mit seiner lyrischen Ruhe im zweiten Akt und soghaften Wirkung auf den Zuhörer. Das Vorspiel zum dritten Akt und die Verwandlungsmusik zum Brünnhildefelsen waren dann von einer besonders lebhaften Dynamik unterlegt und voll drehte Rattle dann im Finale auf, der zu einem regelrechten pompösen Triumpf Marsch ausartete.
Der US-amerikanische Heldentenor Stephen Gould, der 2004 an der Wiener Staatsoper als Paul in Konrgolds „Die tote Stadt“ debütiert und hier auch den Siegfried gesungen hat, bewies wieder einmal, dass er zur Zeit wohl einer der besten Interpreten dieser Rolle ist. Er singt besonders wortdeutlich und besticht dabei durch sein intelligentes Spiel. Von Beginn an bietet er die stärkste Leistung an diesem Abend.
Tomasz Konieczny bot an diesem Abend als Wanderer eine stimmliche Überraschung. Die beiden großen Wotan-Partien im Rheingold und der Walküre an zwei Tagen hintereinander zu singen, dürfte seiner Stimme nicht allzu gut bekommen haben. Zwei Tage Pause dann und ein wie ausgewechselter Wanderer stand auf der Bühne, der mit wunderbar phrasierendem Bariton über sich selber hinauswuchs. Zu einer besonders pikanten Genreszene geriet dann auch die „Wissenswette“, wenn Mime auf Wotans Worte „nun rede, weiser Zwerg“ ungläubig sein Haupt schüttelt als ob er sagen wollte „Meint der gar mich?“ im Verlauf der sattsam bekannten Wissenswette stellte sich mir plötzlich die Frage, wer würde eigentlich Wotans Haupt abschneiden, hätte dieser die Wette verloren, und weiter: Ist es denn überhaupt noch eine faire Wette, wenn der herrische Gott ohnehin weiß, dass er nicht zu besiegen ist, zumindest nicht durch Mime. Da bedarf es dann im dritten Akt schon eines furchtlosen Helden, seines Enkels Siegfried. Aber natürlich sollte man solche Details nicht mit Logik hinterfragen, das hat Richard agner offenbar auch nicht gemacht oder ihn gestört. In der Eile ließ der Sänger dann noch seinen Speer auf der Bühne zurück und kehrte kurzerhand wieder, um das Zepter seiner Macht noch schnell mit sich zu nehmen.
Herwig Pecoraro war ein herrlich bösartiger Mime mit Hang zur Groteske. Am besten gefielen mir die von Wagner nicht komponierten, aber vom Regisseur möglicher Weise erdachten gesungenen Seufzer und Schluchzer und ähnliche gutturale Reaktionen. Dass man ein „zullendes Kind“ aufzieht und nicht „zu“zieht, dürfte wohl nur ein Versprecher des Sängers gewesen sein. Während der Schwertschmiede defilierte der großartige Gestalter dann im Stechschritt und, nachdem Siegfried Nothung endlich gegossen hat, setzte er sich noch eine Krone auf und fühlte sich, in einem Anfall von Wahnsinn, bereits als zukünftiger Herrscher der Welt.
Der US-amerikanische dramatische Bariton Richard Paul Fink gab sein überzeugendes Rollendebüt an der Wiener Staatsoper in der Rolle des Alberich und stand in Häme seinem Bruder um nichts nach. Wortdeutlich in seiner Auseinandersetzung sowohl mit Wotan zu Beginn des zweiten Aktes als auch später dann mit Mime verfügt er neben einer ausgezeichneten Diktion auch noch über eine besonders agile Rollengestaltung. Durchdringend hallt dann auch sein höhnisches Gelächter im Rhythmus des Hämmerns seines Bruders auf einem Amboss zu Beginn der Oper nachdem Siegfried Mime gefällt hat.
Mikhail Petrenko gab einen klangvollen und finsteren Fafner, der zunächst als Wurm nur aus der Tiefe sang und dann in einem imposanten Auftritt als überlebensgroßer Riese aus einer Öffnung des Bühnenbodens in die Höhe fuhr. Diese turmartige Erhöhung habe ich schon 1998 bei Klingsor im Parsifal in Nürnberg gesehen. Sie ist also nichts Neues, aber immer wieder äußerst effektvoll.
Etwas enttäuschend hörte sich dann leider der schrille Waldvogel von Annika Gerhards an, die mit dieser Rolle ihr Debüt an der Wiener Staatsoper gegeben hatte.
Die Erde von Janina Baechle ließ eine wahre Urmuttertiefe hören, die lediglich nach oben hin fallweise etwas angestrengt ausfiel.
Und am Ende der Vorstellungen gab es nur ein zaghaftes Buh für Evelyn Herlitzius, das jedoch im Keim erstickt wurde. Alle anderen Mitwirkenden und Sir Rattle wurden vom Publikum begeistert und zu Recht gefeiert.
Harald Lacina | 21.05.2015
Stephen Gould triumphs as Siegfried in Vienna
Siegfried is not the most palatable of Wagner’s opera for many. There are a lot of words and music, and yet action is limited in Act I as the story of the first two Ring operas is recapped by two participants, Wotan (now Wanderer) and Mime, while a new member Siegfried is introduced. The second act takes place in the forest as the plot to wrestle the ring from the dragon unfolds around the innocent fool. All the voices so far are male; only towards the end of the second act, a female voice (often off-stage) of the woodbird breaks in as a ray of sunshine, to presage other sunshine to come at the end of the opera, the waking of Brünnhilde.
Wagner took a ten year break between composing the second and third acts of Siegfried, and his maturity clearly shows. The third act prelude is a complex web of the Ring’s musical motifs, about ten or them, that unfolds as a symphonic piece. It is one of the musical highlights of the Ring, and Simon Rattle masterfully illuminated each and every motif, performed expertly by the Vienna State Opera Orchestra. The themes came as a series of gradual and continuous waves, with no audible breaks, and yet every note and instrument was clearly heard. It was a fitting prelude to the rest of the Ring’s drama.
The orchestral was almost flawless this evening, after a somewhat tentative beginning in the first act. There were some uncoordinated moments between the orchestra and singers, but these were quickly remedied and the rest of the performance showed an amazing interplay with the orchestra supporting the singers whose voice seemed to land softly over the instrumental lines. It is rare to experience such close connection between orchestra and voices, and to experience the dynamic and organic unfolding of the musical drama.
Stephen Gould as Siegfried is a veteran of the production, and yet this evening he seemed to find new and subtle nuances in this role, aided by the sensitive reading of the score. The first act took place in what appeared to be an industrial space with long tables on raked platforms that function as Mime’s hearth, kitchen and furnace. Tall gray walls with fans up on high surrounded the space, with a door located in the back. Herwig Pecoraro’s Mime was a perfect blend of comical and sly character, and he used his voice and body, including facial expressions, to convey the cunning dwarf. Gould’s tenor with baritonal tone had bright sheen that never faded throughout the long performance. The challenging forging scene in Act I had unusually slow and quiet moments where he sang in soft murmur. As Sir Simon urged the orchestra to increase the volume and energy, Gould responded with an exciting burst of clear high notes to end the act.
The forest of Act II had stuffed animals such as deer, gazelle and bear mounted on the three walls; green lighting indicated the locale on a largely bare stage. The giant was a large eye projected on the screen on the back. It was a nice directorial touch to bring out the dying giant, sung darkly and forlornly by Mikhail Petrenko, to come up from below the stage on a platform to rise high above before he was lowered in death. Richard Paul Fink was a vocally effective Alberich, interacting well with his brother Mime in his brief scene.
The Wanderer was magnificently sung by Tomasz Konieczny not so much as a world weary God but as a wise and keen observer of unfolding events. The role did not afford him as many opportunities to showcase a variety of his vocal colors as Die Walküre, but he made the most of the Wanderer’s majestic music. Sir Simon chose a fast tempo for the Wanderer’s scene with Erda and Siegfried at the beginning of the third act, which brought the sense of urgency to the fire music that followed. The brass played the Valhalla theme to indicate the end of Wotan’s reign as the strings introduced the fire music; the winds echoed with the fate motif as Siegfried found his way to Brünnhilde’s rock, which was simply a couple of steps on stage bare except for a slanted wall in the back and two pieces of white sculpture on stage right. The integration of the various strands of music of the Ring in a clear and coherent fashion was truly memorable.
The final duet of Siegfried and Brünnhilde began deliberately and the pace was never hurried, as if to let their love blossom gradually. There were some quiet moments as Brünnhilde softly recalled her past and pondered her predicament. Sir Simon wove the music towards the climax gradually, with phrases never breaking but rather overlapping in the most subtle and organic way.
It was unfortunate that Evelyn Herlitzius’ Brünnhilde was not quite up to the task to match Gould’s tireless and resonant tenor. She managed the first utterance “Heil, dir Sonne” quite well with clean, delicate and yet penetrating soprano. However, her voice lacked richness to express various dynamic shadings of the character, and nuances were mostly expressed via volume changes. The final note was not quite audible.
Ako Imamura | 21 May 2015

![]() | Premiere |
This recording is part of a complete Ring cycle.