Siegfried

Ádám Fischer
Orchester der Wiener Staatsoper
Date/Location
17 January 2016
Staatsoper Wien
Recording Type
  live   studio
  live compilation   live and studio
Cast
Siegfried Christian Franz
Mime Herwig Pecoraro
Wotan Tomasz Konieczny
Alberich Jochen Schmeckenbecher
Fafner Sorin Coliban
Erda Anna Larsson
Brünnhilde Linda Watson
Waldvogel Andrea Carroll
Stage director Sven-Eric Bechtolf (2008)
Set designer Rolf Glittenberg
TV director Dominik Kepczynski
Gallery
Reviews
Die Presse

Brünnhilde hat Probleme, Siegfried greift zur Flasche

Wagners „Siegfried“ unter Adam Fischer in der Wiener Staatsoper: ein respektabler Abend, trotz des angeschlagenen Titelhelden.

Zugegeben: Der erste Aufzug schien noch wie mit angezogenen Bremsen abzulaufen. Kein Wunder, wenn der Sänger der Titelpartie offenkundig angeschlagen ist und sich eine Wechselwirkung aus Unsicherheit auf der Bühne und Vorsicht aus dem Graben ergibt. Ursprünglich war ja, wie bisher stets in Sven-Eric Bechtolfs „Ring“-Deutung, Stephen Gould vorgesehen, bevor mittelfristig der erfahrene bayerische Heldentenor Christian Franz als Einspringer verpflichtet werden musste. Er hatte beide Siegfried-Partien in Wien zuletzt noch in der alten Dresen-Inszenierung gesungen. Kampf mit dem Drachen hin, Gang durchs Feuer her: Das eigentlich Heldenhafte an Franz war es, dass er einem Fieber zum Trotz die Vorstellung durchstehen wollte, wie das Publikum in einer Ansage vor dem zweiten Aufzug erfuhr.

Es gelang leidlich, sodass der Abend doch noch Fahrt aufnahm und Siegfried am Schluss im vokalen Liebestaumel keineswegs mit zerfocht’ner stimmlicher Waffe frühzeitig abziehen musste. Durch oftmaligen Griff zur Flasche hielt Franz sich ausreichend hydriert, rettete sich zwar manchmal ins Rufen, aber konnte in seinen besten Momenten mehr als bloß eine Ahnung von liedhaft-lyrischen Kantilenen vermitteln. So etwas zehrt freilich an den Sängernerven, zieht Energie von der Darstellung ab – doch als eigentlicher Träger der dramatischen Erzählung erwies sich ohnehin wieder das prächtig disponierte Orchester.

Adam Fischer am Pult versteht es, auch die Partitur des „Siegfried“ über marginale Unebenheiten hinweg differenziert und intensiv zugleich darzustellen. Dazu braucht er weder brachiale Ausbrüche noch drängende oder gar aufgepeitschte Tempi. Die klingende Architektur entfaltet sich bei ihm in ruhiger, edler Größe – und korrespondiert dadurch in gewisser Weise mit Rolf Glittenbergs „Ring“-Bühnenbildern, bei denen stets bürgerliche Interieurs der Historie durchschimmern, auch in „Siegfried“, dem Stück der Tetralogie, dessen Schauplätze librettogemäß am weitesten entfernt von aller höher entwickelten Zivilisation liegen. Das übrige Ensemble war in Tugenden (und kleinen Schwächen) weitgehend bekannt. Linda Watson hat wie viele Brünnhilden im „Siegfried“ Probleme mit der hohen Lage der Partie; Tomasz Konieczny ist auch als Wanderer nicht ideal, aber imposant; Herwig Pecoraro und Jochen Schmeckenbecher zanken wacker als feindliche Nibelungenbrüder, Anna Larssons Erda tönt pastos, Andrea Carrolls Waldvogel hell und apart, Sorin Colibans Fafner düster: Jubel für fünf kurze Stunden.

Walter Weidringer | 19.01.2016

Der Standard

Furchtlos und fiebrig

Raub, Totschlag, Unzucht, Inzucht und ihre Folgen: Wagners “Siegfried” an der Wiener Staatsoper mit Christian Franz und Linda Watson

Was bisher geschah: Raub, Totschlag, Unzucht, Inzucht (unter anderem). Als furchtlose Frucht dieser Unglücksfolge sehen wir den jungmännlich-renitenten Siegfried. Er dauerkeppelt mit Mime; sein emotional blockierter Pflegevater ist mit der Alleinerziehung des Heißsporns sichtlich überfordert. Herwig Pecoraro trippelt hektisch im Leopardenmantel herum, pariert die Anwürfe seines Schützlings mit seinem dichten, hellen, quengeligen Charaktertenor. Pecoraro hat in den eineinhalb Stunden des ersten Aufzugs quasi durchzusingen und bewältigt den Marathon bravourös. Christian Franz gibt den Siegfried tapsig. Vor Beginn des zweiten Aufzugs lässt sich der Deutsche als gesundheitlich angeschlagen ansagen (Darmgrippe, Fieber) und singt von da an deutlich befreiter. Der Routinier bietet eine gesanglich solide Interpretation der Partie mit durchschlagskräftigen Spitzentönen und einigen Nuancen. Nur in der Vereinigung mit der verstoßenen Lieblingstochter seines einzigen Großvaters will sich kein Gran an Ekstase einstellen. Franz und Linda Watson – sie gibt die Brünnhilde – singen und lieben im wenig erbaulichen Bühnenbild von Rolf Glittenberg professionell aneinander vorbei. Watson ergeht sich in ihrer halben Stunde in sängerischer Zurückhaltung, eine schaumgebremste Sirene. Aber sie hat ja auch gerade erst 20 Jahre durchgepennt. Aufwachen tut man immer dann, wenn Tomasz Konieczny dran ist: Der Pole gibt einen virilen, vokal mächtigen Wanderer. Ein Genuss ist auch Jochen Schmeckenbechers Alberich: so textdeutlich und differenziert, mit fast zu schönem Bariton für diesen hässlichen Charakter. Eine eindrucksvolle Erscheinung: Anna Larsson als Erda, erfahren und souverän. Groß Sorin Colibans Fafner, klar und kräftig Andrea Carroll als Stimme des Waldvogels. Das Orchester der Wiener Staatsoper musiziert präzise, agil, engagiert und enorm situationselastisch; Dirigent Adam Fischer achtet auf sängerdienliche Lautstärken. Begeisterung.

Stefan Ender | 18.1.2016

onlinemerker.com

Die bereits 19. Aufführung der von Sven –Eric Bechtolf sehr gelungen inszenierten Produktion, besonders der im Auge des Drachens sich spiegelnde Kampf und die nachfolgende riesenhafte aus dem Boden auftauchende Gestalt des sterbenden Fafner, von Sorin Coliban eindrucksvoll gesungen, erregt noch immer sehr anerkennendes Aufsehen, war ein Ereignis.

Mit mächtiger Stimme und großer Autorität gestaltete Tomasz Konieczny den Wotan. Den Vorwurf, er würde wie ein verkleideter Alberich singen, kann ihm heute keiner mehr machen. In beiden Partien ist er mittlerweile eine Idealbesetzung.

Christian Franz war trotz Erkrankung ein sehr guter Siegfried. Seine hörbar ausgezeichnete Technik, er gleitet mühelos von der Kopfstimme in die Vollstimme und wieder zurück, was ihm einerseits einen wunderbar lyrischen 2. Akt ermöglicht, andererseits das Durchstehen dieser mörderischen Partie in geschwächter körperlicher Verfassung. Daran erkennt man den Meistersänger. Linda Watson sang die Brünnhilde mit sehr schöner, frei strömender Stimme.

Ja, und Herwig Pecoraro ist wirklich eine Idealbesetzung für den Mime, sowohl stimmlich, er hat ein beachtliches Stimmvolumen und eine enorme Höhe, als auch darstellerisch. Auch Jochen Schmeckenbecher als eindrucksvoll agierenden Alberich, Anna Larsson als imponierende Erda und Andrea Carroll als Waldvogel möchte man keinesfalls missen.

Und wenn dann auch noch Adam Fischer die Gesamtleitung hat und das Wiener Staatsopernorchester spielt, dann ist ein großer Erfolg kaum mehr zu verhindern.

Ja, und so war es dann auch, großer, anhaltender Jubel für alle, und was ganz interessant ist, Begeisterung auch bei Leuten, die das Stück überhaupt erst zum ersten Mal sahen.

Christoph Karner | 18.01.2016

Rating
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User Rating
(4/5)
Media Type/Label
Premiere
Technical Specifications
1920×1080, 4.3 Mbit/s, 7.7 GByte (MPEG-4)
Remarks
Webstream
This recording is part of a complete Ring cycle.