Tristan und Isolde
Tristan | Peter Hofmann |
Isolde | Hildegard Behrens |
Brangäne | Yvonne Minton |
Kurwenal | Bernd Weikl |
König Marke | Hans Sotin |
Melot | Heribert Steinbach |
Ein junger Seemann | Thomas Moser |
Ein Hirt | Heinz Zednik |
Steuermann | Raimund Grumbach |
Stage director | – |
Set designer | Gerd Krauss |
TV director | Karlheinz Hundorf |
Noch eine Publikation im Bernstein-Jubiläumsjahr 2018 (man begeht seinen 100. Geburtstag am 25. August): Zum bereits bekannten und bei Erscheinen heftig diskutierten bloßen Tonträger kommt der Film zu den Aufführungen aus dem Herkulessaal München vom 13. Jänner, 27. April und 10. November 1981. Die Aufzeichnung des Bayerischen Rundfunks zeigt Peter Hofmann und Hildegard Behrens in den Hauptpartien, zwei formidable Sänger, die jedoch nicht gerade als Vertreter des schwersten Fachs gelten.
Bernsteins akustische Tristan Legacy reiht sich, was die Leistungen von Chor und Orchester des Bayerischen Rundfunks sowie die stupende Aufnahmequalität anlangt, ohne weiteres in die große Linie Böhm/Bayreuth und Karajan/Berliner Philharmoniker ein. Was für ein Luxus, zwischen solch phänomenalen Einspielungen wählen zu dürfen. Ist die Aufnahme von Karl Böhm die „bodenständigste“ im Zugriff und die dramatisch dichteste, so erreichen Karajan und sein Orchester schwebend kosmische Dimensionen eines Klangs, der alle Sehnsuchtsthematik, die Ekstase, ja das ‚Ertrinken, versinken’“ transzendiert. Bernstein sieht im Tristan das zentrale Werk der Musikgeschichte, ihren Dreh- und Angelpunkt. Die Partitur ist für ihn nichts weniger als prophetisch. Das betrifft auch die Botschaft einer persönlichen immer möglichen Apokalypse auf dem schwankenden Schiff der Liebe, der intrigengeleiteten Politik und der menschlichen, oft miteinander unvereinbaren Leidenschaften generell. Bernstein schlägt in der rekordverdächtig langsam zelebrierten Ouvertüre einen meditativ-spirituellen Ton an, die leisen und gedeckten Farben dominieren hier. Der dynamische Pegel gleicht sich dann später dem Drama an, wenngleich Bernstein am Ende immer noch eine dreiviertel Stunde länger brauchen wird als der flotte Böhm 1966 (266 versus 219 Minuten).
Bernstein präferiert eine sehr persönliche, wie stets emotional spontane, aufrauschend bis das Metrum aufhebende, feinlinige, die innere Beziehung der Instrumente suchende Interpretation. Das Orchester spielt sensationell in allen Details, die Piani in Schönheit genießend. Dass es im Fortissmio pauschaler wird, ist nur natürlich. Peter Hofmann und Hildegard Behrens waren im Jahr der Konzerte wohl die unverbrauchteste Wahl, frisch und jugendlich, intensiv, beide jedoch alles andere als hochdramatisch bzw. heldisch im traditionellen Sinn. Hildegard Behrens in der Rolle der Isolde mangelt es generell an einer belastbaren (unteren) Mittellage, die Stimme wies schon damals besonders im Forte einen starken Bruch in die untere Lage auf. Dafür strahlen die Höhen sphärisch silbern, scheinen sich zu einer Klangwolke zu wölben, ja entwickeln eine eigene ganz spezifische fluoreszierende Leuchtkraft, was wohl die Faszination dieser Stimme ausmachte. Die Stimmführung kann als ruhig fließend, vibratoarm und daher vorbildlich für Wagner gelten. Leider bleiben bei Behrens in Sachen Textverständlichkeit jede Menge an Wünschen offen.
Peter Hofmann, den ich aus Bayreuth 1986 live als Tristan (gemeinsam mit Johanna (!) Meier) in sehr guter Erinnerung habe, bestätigt, dass er 1981 als Hoffnungsträger in diesem Fach gelten konnte. Ein sinnlich baritonales Timbre, ein wunderbares Legato, ein traumhaftes Decrescendo, die hohe Rollenidentifikation, und dazu ein toller Typ. Leider war die Stimme nicht allzu belastbar und die Opernkarriere relativ kurz. Bei Bernstein gibt er alles, auch im dritten Akt besteht Hofmann tapfer im ekstatischen Orchesterklang.
Bernd Weikl als Kurwenal prunkt mit seinem prächtig heldischen Material, szenisch wirkt er bisweilen hemdsärmelig. Yvonne Minton als Brangäne reüssiert in den Piani mit liedhafter Attitüde, der helle Klang ihrer Stimme hebt sich aber (zu) wenig von demjenigen ihrer Isolde ab. Hans Sotin verkörpert einen allzu brav gesungenen König Marke, die Erschütterung um den Verrat fällt da etwas lau aus. Thomas Moser betört mit an Mozart geschultem Tenor als junger Seemann, Heinz Zednik ist der Hirt, Raimund Grumbach der Steuermann.
Ist dieser Tristan akustisch ein zeitlos gültiges Dokument hoher Musizierkunst, kann dies von der filmischen Seite nicht behauptet werden. Es sollten ja halbszenische Aufführungen sein, de facto war dieser Tristan eine extrem statische, konzertante Angelegenheit in Kostüm und Maske. Die Kostüme, die aus heutiger Perspektive nicht nur schon damals heillos altmodisch gewesen sein müssen, bringen in ihrer biederen Hässlichkeit keinen atmosphärischen Mehrwert zu eleganter Standard-Abendgarderobe eines Konzerts. Ein irgendwie als Himmel/Meer? abstrakt bemaltes Segeltuch bildet den sparsamen optischen Hintergrund. Leider ist auch die Auflösung des Films ziemlich schlecht (grobkörnig) und keinesfalls den technischen Möglichkeiten des Formats Blu-ray angemessen. Abseits der grandiosen Tonspur ist die DVD/Blu-ray somit nur von historischem Interesse. Wer den feschen Leonard Bernstein in voller Dirigierpose oder die jungen Sänger aber optisch erleben will, soll ruhig zugreifen, falls nicht schon die CD im Regal steht.
Dr. Ingobert Waltenberger | 15.06.2018
C Major, Premiere, HO, Encore | |
C Major |
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