Bruder Lustig

Georg Fritzsch
Chor, Extrachor und Statisterie des Theater Hagen
Philharmonisches Orchester Hagen
Date/Location
12-18 April 2000
Theater Hagen
Recording Type
  live   studio
  live compilation   live and studio
Cast
Kaiser Otto mit dem Bart Krzysztof Klorek
Heinrich von Kempten Volker Thies
Walburg Dagmar Hesse
Rüle Marilyn Bennett
Konrad Stefan Adam
Der Bürgermeister Arnd Gothe
Der Priester Werner Hahn
Ein Herold Jürgen Dittebrand
Ein Bursche Richard van Gemert
Frau Urme Schirin Partowi
Stimme im Traum Peggy Steiner
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Frauen im Bann des Zaubers

So spaßig wie der Titel verspricht ist dieser Bruder Lustig übrigens gar nicht. Nicht gerade viel zu lachen gibt es, mehr zu Bangen und Fürchten, denn um den schaurigen Zauber der Andreasnacht geht es. So könnte die Oper auch diese besondere Nacht ausdrücklich im Namen tragen, und dementsprechend wurde sie auch bei ihrer zuletzt unternommenen Umsetzung auf der Bühne im Jahr 1944 an der Berliner Staatsoper unter dem Titel Andreasnacht aufgeführt. Mit der Inszenierung trat übrigens Wolfgang Wagner seine erste Regiearbeit an.

Seit dieser Aufführung 1944 ist der Bruder Lustig jetzt erstmals wieder auf der Bühne zu sehen und findet damit auch seine Erstaufführung in Hagen. Ein weiteres Mal macht sich das Theater Hagen damit um den wenig beachteten Opernkomponisten Siegfried Wagner verdient, nachdem 1997 mit An Allem ist Hütchen Schuld! (siehe unsere Rezension) bereits ein musikdramatisches Werk von ihm erarbeitet wurde.

Den Zauber der Andreasnacht versteht auch die Hagener Inszenierung von Renate Liedtke-Fritzsch als den entscheidenden Auslöser, den Dreh- und Angelpunkt der Ereignisse. Das Einheitsbühnenbild von A. Christian Steiof taucht den ganzen Ablauf dementsprechend in das Schwarz der Nacht, in das Schwarz dieser besonderen Beschwörungsnacht. Zur Wahrsagung der Andreasnacht wird dann auch kräftig “echter” Zauber aufgefahren: wallender Nebel, zuckende Blitze und Feuer.

Die Urme, die Frau, die den Zauber herbeiruft, spielt folgerichtig eine zentrale Rolle im ganzen Ablauf der Geschichte, sie ist praktisch die ganze Zeit auf der Bühne. Sie beobachtet dort nicht nur begierig, was aus ihren Weissagungen wird, sie sucht auch einzugreifen und den Gang der Dinge voranzutreiben. Das tut sie zunächst recht erfolgreich, nur gegen die Macht der schützenden Madonna kommt sie schließlich nicht mehr an. Die Urme ist im übrigen eine recht mondäne Frau, chic gekleidet, quirlig und immer obenauf. Mit herausragender Präsenz auf der Bühne vertreten wird sie von Schirin Partowi. Das ganze Spiel, wie es in der Inszenierung von Liedtke-Fritzsch sinnvoll pointiert ist, zeigt sich als eine Geschichte der Frauen: es sind da die Mädchen im heiratsfähigen Alter, die sich dem gefährlichen und verbotenen Zauber aussetzen, um etwas über ihre zukünftigen Ehemänner zu erfahren, und nach dieser Nacht geht es um die Folgen der Beschwörung, um die Macht dieses Zaubers, der nun Wirklichkeit und Verhängnis wird. Kaum zu glauben, daß die Geschichte noch gut ausgeht.

Die Inszenierung zeichnet sich durch phantasievolle Bebilderung der Szenerie aus, die schon mit dem Vorspiel beginnt. Zudem werden Teile der Bewegungsabläufe regelrecht choreographiert, bestimmte Tanzelemente eingesetzt und damit gemeinsames Handeln der Mädchen und freudig-dominantes Agieren der Ulme ausgestaltet. Das erweist sich als durchaus stimmig, es ist durch das Libretto begründet, in dem mehrfach der Tanz der Mädchen und überhaupt der Frauen erwähnt wird. Diese Spielart der Inszenierung hätte durchaus noch weiter verfolgt werden dürfen, kamen doch ansprechende, wirksame Bilder dabei zustande. Insgesamt ist die Personenführung sehr bewegt und die Sängerdarsteller zeigen lebendiges Spiel. Die Kostüme der Personen sind hingegen nicht gerade nachvollziehbar gestaltet. Gegen die schlichten, farbigen Einheitskleider der Mädchen, bewegt sich Rüle im aufwendigen, glänzenden Kleide und wandelt schulterfrei im Schnee, und Hans, der der Bruder Lustig ist, steckt schließlich in spanischer Bluse mit weiten Rüschenärmeln.

Das Theater Hagen kann sich bei der Umsetzung dieser großen Oper auf ein treffliches Ensemble verlassen, die gesangliche Leistung ist wirklich beachtlich für ein kleines Haus. Anspruchsvoll konnten Walburg mit Dagmar Hesse und Hans mit Volker Thies besetzt werden. Beide Sänger zeigen sich der großen Partie gewachsen. Die Besetzung des Bruder Lustig mit Thies, der über eher lyrische Stimme verfügt, ist zwar zunächst etwas überraschend, aber der Tenor weiß sich zu behaupten und die Partie überzeugend zu gestalten. Auch das übrige Ensemble stellt zufrieden: vor allem Schirin Partowi als Urme, Marilyn Bennett als Rüle und wie gewohnt stimmschön und volltönig Stefan Adam als Konrad.

Das Orchester bringt ebenfalls sehr gute Leistung und entwickelt unter der Leitung von Georg Fritzsch intensiv den Zauber und die Farbigkeit der umfangreichen Partitur. Nur gelegentlich gibt es leichte Wackelkontakte unter den Instrumentengruppen und eine gewisse Zaghaftigkeit bei der Aufnahme der Bögen zu hören.

FAZIT

Eine anspruchsvolle Produktion auf der ganzen Linie konnte das Theater Hagen präsentieren und sich damit ein weiteres Mal verdient machen um die Opern Siegfried Wagners. In phantasiereicher und lebendiger Inszenierung wird eine höchst beachtliche musikalische Ausführung geboten, in der man diese Oper mit Vergnügen kennenlernt.

Meike Nordmeyer | Premiere am 15. April 2000

ClassicsToday.com

It is inevitable that the son of one of the most influential composers of his (or any) era would be compared to his famous father. The question is: do we listen to the music of Siegfried Wagner hoping to find the deep influence of his father, or, when he strays from that formidable example, do we enjoy his rebellion and take him on his own artistic terms? Sadly, in this case, no matter which way you listen, the hard musical evidence shows neither the stamp of originality nor the work of a skilled and clever imitator. The music to Bruder Lustig, a wheezy, overlong grand opera, might be compared to papa Richard’s Rienzi, an early effort and not his strongest work. But while we hear Rienzi as a shape-of-things-to-come work, an early offering from a brilliant composer struggling to find his voice, Bruder Lustig is allegedly the creation of a fully formed artist. Although the son is not trying to be like the father, in fact we find shades of Wagner senior throughout the work: halfway through Act 1, Scene 3, an unresolved “Tristan” chord makes an unwelcome (unintentional?) appearance.

The cited debt is to Nicolai, Siegfried’s not-so-secret hero, but the true nod ought to go to Meyerbeer, Richard Wagner’s musical arch-enemy. This is an opera that, according to the composer himself, is “…neither comic nor serious–but both together.” There is bombast and pomp, and at its more interesting points the score is riddled with shameless waltzes, hunting calls, and drinking songs. Beyond that, the score just sounds like page after page of filler, Meyerbeer at his most mediocre.

Siegfried spent a good deal of his life in service to his father as both a stage director and conductor, but as a composer he was clearly at odds with a serious ghost, and this did him harm. The question is: if your father was Wagner and you wanted to rebel, why not become a symphonist? In an era where such composers as Richard Strauss, Franz Schrecker, and Alexander Zemlinsky were coming to terms with the overwhelming influence of Wagner the elder, his own son was lost in the fray. This work becomes more of a psychological profile than a proper composition (and ought to be taken as such)–a textbook case of the anxiety of influence.

The plot, which takes place in the Middle Ages, centers around a local boy named Heinrich who is in hot water with the court. He struck and killed a court official when he saw him maltreating a child, and then threatened to cut off Emperor Otto’s beard if he were not released. Heinrich returns to the scene of the crime in women’s clothes, and Walburg, his childhood friend who helps him into his drag, falls in love with him. From there the overly complex plot involves sorcery, witches, a wedding, the return of the wronged emperor, and ultimately peace; to go into greater detail here would take pages.

This recording, which for starters lacks an English translation of the libretto, is a flawed account, mostly due to distant and imbalanced sonics. Sometimes it’s hard to tell if the performance, which was recorded live, is actually any good. As the titular Bruder, Volker Thies is quite good, carrying the three-hour-long show with personality and a truly remarkable voice. Others rise to the occasion, especially Dagmar Hesse as Walburg, though her heavy voice is only vaguely convincing in the role. It is hard to say much about the quality of the orchestra, due to the poor quality of the engineering, but the players do seem to hold everything together and show remarkable stamina, informing the score with as much seriousness as possible under the circumstances.

Artistic Quality: 6
Sound Quality: 6

Rating
(6/10)
User Rating
(3/5)
Media Type/Label
Marco Polo
Technical Specifications
630 kbit/s VBR, 44.1 kHz, 704 MByte (flac)
Remarks
A production by Renate Liedtke-Fritzsch