Sternengebot

Werner Andreas Albert
Bayerische Singakademie
Bayerisches Landesjugendorchester
Date/Location
4-6 June 1999
Stadthalle Weikersheim
Recording Type
  live   studio
  live compilation   live and studio
Cast
Konrad der Salier Adam Kruzel
Hiltrud Brenda Roberts
Agnes Ksenija Lukic
Helferich von Lahngau Volker Horn
Adalbert von Babenberg Karl-Heinz Kinzel
Herbert Karl-Heinz Kinzel
Julia Brenda Roberts
Der Kurzbold André Wenhold
Bertha Barbara Sailer
Christoph Robert Tamas
Stimme einer Seherin Katharina Fuhrmann
Der junge Heinz (Heinrich der Kalwe) Michael Suttner
Gallery
Reviews
Online Musik Magazin

Späte Ehrung einer tragischen Figur der Musikgeschichte

Siegfried Wagner ist letztlich eine tragische Figur der Musikgeschichte: Zwar hat er in jener inzwischen wieder durchaus populären Epoche zwischen Spätromantik, Jugendstil und Moderne durchaus eigenes geschaffen (immerhin 18 Opern, also mehr als der große Richard!), aber anders als seine Zeit- (und Leidens-)Genossen Alexander von Zemlinsky, Erich Wolfgang Korngold, Franz Schreker und Franz Schmidt musste er nicht nur als Musiker den übermächtigen Schatten Richard Wagners ertragen, sondern auch als Sohn, der sich als Dirigent und Festspielleiter in Bayreuth für das Oeuvre des Vaters einzusetzen hatte. Nach Gesamtaufnahmen von Der Bärenhäuter, Schwarzschwanenreich und Banadietrich schließt die Firma Marco Polo nun mit der Erstaufnahme von Sternengebot eine weitere Repertoirelücke.

Das am 21. Januar 1908 in Hamburg uraufgeführte Werk (weitere szenische Aufführungen in Prag, Wien, Hannover, Weimar, Karlsruhe, Köln und Stuttgart folgten bis 1944, während es danach nur noch konzertante in Wiesbaden und eben in Weikersheim gab) spielt im frühen Mittelalter in der deutschen Königsstadt Fritzlar und thematisiert den Konflikt zwischen dem pflichtgetreuen Befolgen einer schicksalhaften Vorhersehung (daher der Titel) und dem Hören auf die eigenen, anderen Gesetzen folgenden Gefühle. Peter P. Pachl spürt in seinen kenntnisreichen Anmerkungen im Booklet auch autobiographisch-allegorische sowie symbolistische Züge auf, die man bei genauer Lektüre des mitunter reichlich merkwürdigen Librettos zwar nachvollziehen kann, die aber auch nicht von dem Umstand ablenken können, dass beim Hören der gut 136 Minuten langen Oper der Funke nicht wirklich überspringt, was nicht zuletzt daran liegen dürfte, dass es an melodischen Einfällen mangelt, die im Gedächtnis haften bleiben.

Erstaunt ist man dagegen über die reife, konzentrierte Leistung des Bayerischen Landesjugendorchesters unter Werner Andreas Alberts kompetenter Leitung. Der mit den Werken des frühen 20. Jahrhunderts vertraute Dirigent, der auch Präsident der Internationalen Siegfried-Wagner-Gesellschaft ist, arbeitet die Schönheiten der atmosphärischen Partitur engagiert heraus (etwa im Vorspiel, das sehr romantisch daherkommt und nicht verleugnen kann, dass der Sohn Papas Tristan und Meistersinger sehr gut kannte, im Herzensgebot überschriebenen Vorspiel zum zweiten Akt, das Lohengrin-Flair atmet, oder auch im volksliedhaften Reigen der Hochzeitsgäste, der an Siegfrieds Lehrer Humperdinck erinnert), weiß an den richtigen Stellen anzuziehen, die verschiedenen Stimmungen glänzend einzufangen und den Sängern zuzuarbeiten, mit denen man freilich nicht durchweg glücklich wird. Natürlich muss man berücksichtigen, dass für dieses Projekt nur wenig Geld und eine sehr kurze Aufnahmezeit zur Verfügung standen, aber eine etwas sorgfältigere Auswahl der Mitwirkenden kann man wohl doch erwarten, ebenso wie ein Bemühen um korrekte, sinnstiftende Aussprache des deutschen Textes.

Ksenija Lukics wenig ausgeglichener Sopran verfügt zwar über eine resonante Mittellage und Tiefe, aber die Höhe klingt reichlich eng und scharf und vor allem alles andere als mädchenhaft, was einer Partie in der Tradition einer Meistersinger-Eva oder Tannhäuser-Elisabeth doch gut ansteht. Volker Horn ist immer dann überzeugend, wenn sein jugendlicher Heldentenor nicht über die angenehm dunkel timbrierte Mittellage hinaus muss. Höhere Töne, besonders solche im forte, werden nur mit hörbarem Druck erreicht und klingen entsprechend rau, glanzarm und unruhig, aber die exemplarische Textverständlichkeit entschädigt für manches. Eine gewisse Rollenidentifikation ist auch Adam Kruzel mit seinem gewichtigen Bass nicht abzusprechen, während Karl-Heinz Kinzels besonders in der Höhe ausgezehrt-matter, nur in der bassig-düsteren Tiefe akzeptabler, wenig flexibler Bariton, den man auch noch in zwei Partien anhören muss (die er beide gleich langweilig gestaltet), eine Pein ist. Dem präzis deklamierenden, eloquenten und angemessen düster-gefährliche Farben einbringenden André Wenhold gelingt es, der ein bisschen zwischen Alberich und Kaspar angesiedelten Partie des Intriganten Kurzbold einiges Profil zu geben. Brenda Roberts, die immerhin an der Met die Färberin, an der Scala Ortrud, in Wien Salome und in Bayreuth die Siegfried-Brünnhilde gesungen und mit Dirigenten wie Leinsdorf, Abbado, Stein, Klobucar und Janowski gearbeitet hat, bringt ihre ganze Erfahrung im hochdramatischen Fach in das Portrait der beiden ihr anvertrauten Rollen ein, auch der charaktervoll-reife Ton ist hier richtig. Von Barbara Sailer, die mit viel persönlicher Farbe Julias Magd gibt, und Katharina Fuhrmann, die der Erda-nahen Seherin ihre interessant timbrierte Altstimme leiht, hätte man gern mehr gehört, während über die Leistungen der übrigen Herren lieber der Mantel des Schweigens gehüllt wird. Einen guten Eindruck hinterlässt die von Kurt Suttner offenbar gründlich vorbereitete, frisch und textverständlich musizierende Bayerische Singakademie.

Anzumerken bleibt, dass dieser im März diesen Jahres veröffentlichten CD ein wenig mehr editorische Sorgfalt nicht geschadet hätte: Die Ausblendung am Ende der ersten CD hätte man leicht umgehen können, wenn man nach Hiltruds letztem Satz vor dem Zwischenspiel die Pause gesetzt hätte, es irritieren die Abweichungen zwischen gesungenem und abgedruckten Text (nur auf Deutsch, was doch problematisch ist angesichts des manierierten Sprachduktus, während die Besetzungsliste nur auf Englisch und nicht fehlerfrei vorliegt und man wegen der korrekten deutschen Rollennamen im Opernhandbuch von Heinz Wagner nachschlagen muss). Auch hätte man sich über ein paar Angaben zu den ja nicht durchgängig bekannten Sängern gefreut.

Thomas Tillmann

klassik-heute.de

Fast könnte man schon von einer kleinen Siegfried-Wagner-Renaissance sprechen, die die editorischen Bemühungen der CD-Firmen Marco Polo und cpo und die künstlerischen Anstrengungen des Dirigenten Werner Andreas Albert in Gang gebracht haben: immerhin vier Opern des Komponisten sind nun greifbar sowie ein kürzlich erschienenes Recital mit Opernszenen für Mezzosopran.

Sternengebot ist Siegfried Wagners fünfte – von 15 vollendeten Opern – und wurde 1908 in Hamburg uraufgeführt. Vor dem Hintergrund des Mittelalters, genauer der Regierungszeit König Heinrichs I., Anfang des 10. Jahrhunderts, werden hier die Fragen von Vorsehung, Schicksal und Aberglauben auf die Bühne gebracht. Hinter der männlichen Hauptfigur des Helferich ist unschwer der Komponist selbst zu erkennen, der diesen Namen als zweiten Vornamen trug: es ist ein uneigennützig Helfender, der um das Glück anderer willen auf sein eigenes Glück verzichtet. Damit spielt Siegfried Wagner auf sein eigenes Schicksal an: er ist als Bayreuther Erbe zur Fortführung dieser Aufgabe verpflichtet, die jedoch die Entfaltung und Anerkennung seiner eigenen Fähigkeiten behindert.

Die Tonsprache der Partitur ist stark romantisch geprägt, zeigt nur ansatzweise impressionistische Einflüsse. Wie in allen seinen Opern zitiert Siegfried Wagner aus früheren Werken, stellt sie damit in ein übergreifendes künstlerisches Bezugssystem. Insgesamt kann sich diese Ersteinspielung durchaus hören lassen, vor allem wegen des kompetenten, engagierten Dirigats Werner Andreas Alberts. Das Vokalensemble besteht zum großen Teil aus Sängern, die schon in den vorangegangenen Gesamtaufnahmen zu erleben waren. Vor allem die tiefen Männerstimmen – André Wenhold als Kurzbold, Adam Kruzel als Konrad, Karl-Heinz Kinzel als Adalbert – warten mit intensiven Darbietungen auf. Als Helferich gelingt dem Tenor Volker Horn ein eindringliches Charakterporträt. Schwachpunkte sind die beiden Sopranistinnen Ksenija Lukic in der weiblichen Hauptrolle der Agnes und vor allem die überforderte Brenda Roberts in den Partien der Hiltrud und der Julia.

Kurt Malisch | 01.08.2001

Rating
(6/10)
User Rating
(3/5)
Media Type/Label
Marco Polo
Technical Specifications
192 kbit/s VBR, 44.1 kHz, 200 MByte (MP3)
Remarks