Die Meistersinger von Nürnberg

Franz Konwitschny
Chor der Deutschen Staatsoper Berlin
Staatskapelle Berlin
Date/Location
4 September 1955
Staatsoper Unter den Linden Berlin
Recording Type
  live  studio
  live compilation  live and studio
Cast
Hans SachsJosef Herrmann
Veit PognerTheo Adam
Kunz VogelgesangHilbert Karl
Konrad NachtigallWalter Stoll
Sixtus BeckmesserHeinrich Pflanzl
Fritz KothnerGerhard Niese
Balthasar ZornManfred Schmidt
Ulrich EißlingerSiegfried Nordmann
Augustin MoserHeinz Braun
Hermann OrtelGünter Gützlaff
Hans SchwartzKay Willumsen
Hans FoltzHanns-Heinz Wunderlich
Walther von StolzingErich Witte
DavidGerhard Unger
EvaRuth Keplinger
MagdaleneAnneliese Müller
Ein NachtwächterWalter Großmann
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Die Zeit

Die Oper Unter den Linden

Der Entschluß der Ostzonenregierung, die Berliner Staatsoper Unter den Linden in möglichst enger Anlehnung an ihre ursprüngliche Gestalt wiederaufzubauen, zeugte, konservativ, ja reaktionär, wie er zunächst anmutete, in gewisser Hinsicht von größerem baukünstlerischem Wagemit als die meisten unserer modernistischen Planungen, die dann doch in bloßen Kompromissen steckengeblieben sind. Denn hinter diesem Entschluß stand – im Gegensatz zu manchen steckengebliebenen Projekten – die Tat. Als leitender Architekt wurde Professor Richard Paulick beauftragt. Im Juni 1952 erfolgte die Grundsteinlegung.

Heute erahnt man die baukünstlerische Absicht, die hinter diesem Entschluß stand. Denn hier ist wirklich einmal in großem Zusammenhang geplant worden: Humboldt-Universität, Ehrenmal, Kronprinzenpalais, Hedwigskirche, die frülere Dresdener Bank (von der drei Stockwerke abgetragen wurden, was der Gesamtwirkung des Platzes ungemein zugute kommt), die„Kommode“ und das Palais Wilhelms I. – das Opernhaus ist ja nur ein Teil dieses „Berliner Forums“, das seiner Wiederherstellung entgegensieht (allerdings nur als zum westlichen Spreearm; der durch die Sprengung des Schlosses gewonnene Marx-Engels-Platz ist nichts als eine architektonische Kapitulationserklärung – überdies fehlt die westliche Begrenzung durch das Denkmal Friedrichs des Großen), In diesem stadtbaukünstlerischen Ensemble hat so konzentriert wie nirgends sonst preußisch-klassizistisches Bauwollen seine Ausprägung gefunden, und es ist Knobelsdorffs gar nicht hoch genug anrechnendes Verdienst, daß er mit seinem 1743 fertiggestellten Opernhaus seiner Zeit so kühn herausgearbeitet hat. Unter Beseitigung aller später erfolgten An- und Aufbauten (was durch den Ausbau des jetzt die Garderoben und die Konditorei aufnehmenden Kellergeschosses und den Neubau eines hinter der Oper gelegenen Magazin- und Verwaltungsgebäudes ermöglicht wurde) ist es Profesor Paulick tatsächlich gelungen, das Knobelsdorffdie Haus in weitgehender Annäherung an seine arsprüngliche Außenarchitektur wiederherzustellen.

Problematischer ist die Gestaltung der Innenräume, deren Aufteilung und Ausstattung „nicht nach Knobelsdorffschen Vorbildern oder Unterlagen geschehen konnte, da Raumzwecke und Raumgrößen sich sowohl gegenüber dem originalen Zustand wie auch gegenüber dem Zustand der letzten Umbauten wesentlich veränderten“ (Professor Paulick in der Festschrift „Deutsche Staats-„per Berlin“). Das unbehagliche Gefühl, daß die Beibehaltung der Knobelsdorffschen Außenarchitektur dann doch ein ausgesprochen formalistisches Verfahren ist, wird man, besonders im Hinblick auf die noch sehr dem Rokoko verhaftete Ornamentik der Innendekoration, niemals ganz los. Das neue Haus vermittelt seinen Besuchern ein durch außerordentlich geschickte Farbkompositionen intensiviertes Raumerlebnis. Vor diesem Erlebnis treten alle anderen Bedenken – auch die über die vielen Ersatzmaterialien und Kunststoffe – zurück.

Über die akustischen Verhältnisse läßt sich nach zwei Vorstellungen noch kein verbindliches Urteil abgeben, ebensowenig über die Leistungsfähigkeit des von Professor Kurt Hemmerling als kombinierte Wagen-, Versenk- und Drehbühne entwickelten Bühnensystems (aber man vermerkt dankbar, daß hier einmal nicht der Anspruch erhoben wurde, die „modernste und größte Bühne Europas“ zu besitzen, obschon man zweifellos alle den Erfordernissen eines modernen Opernbetriebs gemäßen technischen Anlagen eingebaut hat). Die Klangverdickungen, die sich bei der „Meistersinger“-Eröffnungspremiere ergaben, gehen wohl mehr zu Lasten des dirigierenden Generalmusikdirektors Franz Konwitschny als zu denen des Hauses. Zwei Tage später bewies Hans Löwlein ja mit seiner musikalischen Einstudierung von Glucks „Iphigenie in Aulis“, daß sich Fortissimi in diesem Haus auch ohne Kraftakte verwirklichen lassen. „Iphigenie“ war auf jeden Fall die bessere von beiden Vorstellungen: dieselbe klassischstrenge Stilidee zeichnete musikalische Leitung, Regie (Carl-Heinrich Kreith) und Ausstattung (Hainer Hill) aus. Damit aber, und mit den gesanglichen und darstellerischen Leistungen von Clara Ebers (Iphigenie), Margarete Klose (Klytemnestra) und Gerhard Niese (Agamemnon) und nicht zuletzt dem ungewöhnlich sauber singenden und mit äußerster Präzision agierenden Chor (Einstudierung Karl Schmidt) war die Aufführung auf eine sichere Basis gestellt, der weder die verniedlichende Choreographie (Marianne Vogelsang) noch der musikalisch und darstellerisch sich unerträglich selbstherrlich gebärdende Helmut Melchert (Achilles) ernstlich etwas anhaben konnten.

Die „Meistersinger“-Aufführung wirkte demgegenüber zwar nicht weniger einheitlich, aber ihre Einheitlichkeit war mehr in der vorherrschenden Mittelmäßigkeit der Leistungen als in einer verbindlichen Stilidee erkennbar. Das Bekenntnis des inszenierenden Intendanten, Max Burghardt, zu diesem Werk als „echter nationaler Volksoper“ konnte nicht darüber hinwegtäuschen, daß gerade in den großen Ensembleszenen vieles kompakter und stellenweise auch nationalistischverengender (Schlußansprache des Sachs) geriet, als man von einer heutigen „Meistersinger“-Inszenierung erwarten zu können glaubt. Neber Gerhard Ungers David und Theo Adams Pogner verdient auch hier wieder die musikalische Leistung des von Karl Schmidt einstudierten Chors besondere Erwähnung. Die übrigen Rollen waren mit Josef Herrmann (Sachs), Erich Witte (Stolzing), Ruth Keplinger (Eva) und Anneliese Müller (Magdalene) dem Niveau guter Provinz-Opernhäuser vor dem Kriege entsprechend besetzt.

6. Oktober 1955

Gramophone

The opening Meistersinger—conducted by Konwitschny, produced by Burghardt, and designed by Sievert—was a rather folksy and chauvinistic affair. It compared unfavourably with the other two post-war Berlin productions, at the old Staatsoper and the Stadtische Oper, both of which were more modern in conception and less pompous musically. Herrmann’s Sachs, however, was a mature study, much more comprehensive in both vocal and histrionic range than his performance used to be. It did, however, lack warm-hearted humour, and his repeated broad laughter was a bit distressing.

The discovery of this performance was Theo Adam, as Pogner. Still in his twenties, this good-looking Dresden singer displayed one of the most beautiful bass voices Berlin has heard for some time, and sang with a clear understanding of style. There is certainly no better German David than Unger, who bestowed remarkable variety of vocal inflection upon his recital of the modes. Pflanzl tended to undersing the role of Beckmesser. Witte, in a dreadful blond wig, was a youthful Stolzing, but his singing was nasal. Neither Ruth Keplinger’s Eva nor Anneliese Milller’s Magdalene was anything to get excited about. The chorus sang with faultless attack and intonation.

November 1955

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(4.5/5)
Media Type/Label
Walhall Eternity
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Technical Specifications
424 kbit/s VBR, 44.1 kHz, 787 MiB (MP3)
Remarks
Re-opening of the opera house Unter den Linden
A production by Max Burghardt