Parsifal

Donald Runnicles
Wiener Sängerknaben
Chor und Orchester der Wiener Staatsoper
Date/Location
22 April 2000
Staatsoper Wien
Recording Type
  live  studio
  live compilation  live and studio
Cast
AmfortasFranz Grundheber
TiturelWalter Fink
GurnemanzKurt Rydl
ParsifalThomas Moser
KlingsorGottfried Hornik
KundryGabriele Schnaut
GralsritterBenedikt Kobel
Marcus Pelz
Gallery
Reviews
operinwien.at

Von den Leidenschaften

Österlicher Mystizismus war diesem Parsifal zwar nicht fremd, aber er erwuchs aus der leidenschaftlichen Schmerzlichkeit von Kundrys “Doppelgestalt” ebenso wie aus der leidenden Reue des Amfortas und aus dem Brennen dieses einen Kusses, der Parsifal von der Sinnlichkeit zum verstehenden Mitleiden transformiert.

Es war eine Parsifalaufführung, die in aller Plastizität das Wesen der Charaktere an sich dazustellen vermochte, als Urgrund für die schicksalshaften Verstrickungen, die eine Erlösung der dahinsiechenden Gralsritter notwendig machen. Ausgespart wurde auch nicht – Gabriele Schnaut sei Dank dafür – Kundrys laszive Erotik, die in einer leidenschaftlichen Kussszene kulminierte, so dass in den Beiwohnenden schon Zweifel an der Standhaftigkeit Parsifals aufkommen mussten. In gewisser Weise, und auch dank der vorherrschenden Wortdeutlichkeit, ergab sich daraus eine geradezu exemplarische Aufführung, die fern jener “dahinschreitenden Gelassenheit” der Gralsritter, den Mythos aus einem packenden, leidenschaftlichen Drama entwickelte, in dem mehr die Sehnsucht und Hoffnung auf Erlösung, als diese selbst zur tragenden Säule wurden.

Nein, das ist keine Blasphemie, sondern das ist – und es ist dieses abgedroschene Wort hier wirklich am Platz – ganz einfach “menschlich”. Im Parsifal hat ja die heldische Attitüde, die zum Beispiel den ganzen “Ring” durchzieht, nur wenig Entfaltungsmöglichkeiten, und er ist – und manche mögen ihm das auch zum Vorwurf machen oder darin eine gefährliche Tendenz erspähen – das “Evangelium” Richard Wagners, eines Menschen eben – und keines Heiligen. Es ist ein Evangelium der Emotionen, der Verführungskünste, der Berührungspunkte von erotischer und religiöser Extase, aus denen sich der geheime Gralstempel einer vermeintlichen Läuterung all dieser Begierden und Triebe baut, die unser Leben nun einmal mitbestimmen.

Herrlich war das alleine schon vom Orchsterspiel anzuhören, weil Donald Runnicles trotz aller dynamischen Forcierungen sehr transparent musizieren ließ, um trotzdem in den Verwandlungsmusiken gleichsam eine ganze Gralsburg aus Tönen zu errichten, die in aller ehrfurchtgebietenden Größe und Wucht als riesiger Klangraum einem vor die Augen trat. Der Karfreitagszauber wiederum drang wie eine blendender Lichtstrahl aus dem Motivgeflecht, schälte sich wie ein Blatt aus seiner Knospenhülle, um in wenigen Takten die wundervollen Verwandlungsmöglichkeiten des irdisches Daseins aufzuzeigen. Aber da waren auch der packende, hilflose Zorn über den sinnlosen Tod des Schwanes im ersten Aufzug und das verlockende Tändeln der Blumenmädchen ebenso zu hören wie das einschneidende Wühlen von Amfortas Schmerzen. Das Orchester selbst ließ sich zu einer Klangsorgfalt und -fülle hinreißen, die das Besondere dieses “Repertoireabends” deutlich spüren ließ. Es war eben doch ein “Bühnenweihfestspiel” – wo sich Weihe, Fest und das emotionale Spiel der Sinne letztlich zu jener Katharsis synthetisierten, die schon den alten Griechen vorgeschwebt sein mag.

Nach dem Loblied auf Dirigenten und Orchester soll selbiges nun auch auf das Ensemble gesungen werden. Gabriele Schnauts eindrucksvoller Verbindung von Darstellung und wortdeutendem Gesang wurde schon gedacht. Thomas Moser erntete mit seinem Parsifal die Früchte einer über viele Jahre hin maßhaltend durchgezogenen Karriere. Er ist nämlich kein Heldentenor von “Natur” aus. Das hat jedoch den großen Vorteil, dass er den Parsifal wirklich “singt” und auch gestaltet, wobei der Nachteil, nicht immer über die ganze stimmliche Durchschlagskraft zu verfügen, gerade bei dieser Partie nur an wenigen Stellen ins Gewicht fällt. Insoferne macht das gerade für den Parsifal einen idealen Kompromiss, noch dazu, wo wenige Sänger auch über das interpretatorische Einfühlungsvermögen verfügen, um die Wandlung vom “Toren” zum “Heilsbringer” glaubhaft darstellen zu können. Kurt Rydl hat weiter an “seinem” Gournemanz gefeilt und diesen mit aller gebotenen Würde ausgestattet. Der Gournemanz ist eine Partie, die auch seinem Stimmcharakter entgegenkommt, der einer gewissen melancholischen Aura nicht entbehrt, welche dem Wissen um die schicksalhaften Verstrickungen der Gralsritter sehr gut ansteht. Der Amfortas von Franz Grundheber begegnete den Gralsrittern mit der ganzen qualerfüllten Herausforderung, die sie schließlich zum Mord an ihm selbst, dem Gralskönig, verleiten soll – freilich umsonst. Auch Titurel, Walter Fink, ließ seine Aufforderung zur Gralsenthüllung gleichsam wie schon aus dem Grab profund herauftönen. Gottfried Hornik war ein forschgebietender Klingsor – ein bewährten Gegenspieler der Gralsritter seit vielen, vielen Jahren. So ergaben sich denn – bis auf die unvermeidlichen Knappen im ersten Aufzug, die Gournemanz zu seiner Erzählung “nötigen” (und deren Namen hier verschwiegen seien) – keinerlei Misstöne. Insoferne hat der “Karfreitagszauber” wirklich nahezu unglaubliches bewirkt…

Dominik Troger | Wiener Staatsoper 20.4.2000

Rating
(6/10)
User Rating
(3/5)
Media Type/Label
Technical Specifications
502 kbit/s VBR, 32.0 kHz, 920 MByte (flac)
Remarks
Broadcast
A production by August Everding (1979)