Die Walküre
Ádám Fischer | ||||||
Orchester der Wiener Staatsoper | ||||||
Date/Location
Recording Type
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Siegmund | Christopher Ventris |
Hunding | Jongmin Park |
Wotan | Tomasz Konieczny |
Sieglinde | Simone Schneider |
Brünnhilde | Irène Theorin |
Fricka | Michaela Schuster |
Helmwige | Donna Ellen |
Gerhilde | Caroline Wenborne |
Ortlinde | Anna Gabler |
Waltraute | Stephanie Houtzeel |
Siegrunde | Ulrike Helzel |
Grimgerde | Zsuzsanna Szabó |
Schwertleite | Bongiwe Nakani |
Roßweiße | Miriam Albano |
Im Wagner-Kraftwerk
Wer meint, “Der Ring des Nibelungen” brauche singende Kraftlackel auf der Bühne, hat nur zum Teil recht. Zwar stimmt es: Das Riesenorchester Richard Wagners verlangt nach Stimmen von fast panzerbrechender Wucht. Doch sollten die sich auf noch etwas verstehen: eine feine psychologische Klinge. Ein tieferer Blick in die Handlung lehrt: Die wahren Entscheidungsschlachten dieses Opernvierteilers werden nicht mit dem Schwert geschlagen, sondern in langen Zwiegesprächen mit verbalen Waffen – und mit allen Mitteln der Überzeugungskunst. In der “Walküre” fallen die Würfel, wenn sich Wotan und Gattin Fricka zanken – und wenn der Göttervater zuletzt seine Tochter Brünnhilde bestraft. Szenen, die gewissermaßen den Prüfstein jeder Aufführung bilden: Fehlt ihnen die Dringlichkeit, sind sie einfach nur: lang.
Mit Tomasz Konieczny besteht diese Gefahr nicht. Er hat sich die Wotan-Rolle regelrecht einverleibt an der Wiener Staatsoper und das Publikum sich an sein herbes Kolorit gewöhnt. Schon das Schauspiel dieses fallenden Herrschers, bald trotzig, bald taumelnd, zeigt sein Schwanken zwischen Liebe und Machträson. Seine Stimme lotet Extreme aus: Schier ansatzlos springt sie zwischen Deklamation und zänkischem Sprechgesang, zwischen Fortissimo und ersticktem Piano. Auch wenn Konieczny zuletzt an Kraft verliert, sich streckenweise in ein mezza voce rettet: Wie dieser Gott sein Ende ersehnt, darf als Saison-Sternstunde gelten.
Das liegt auch an Dirigent Adam Fischer: Er peitscht das Orchester mitten im ersten Akt jählings zu einer Treibjagd an – und hält an diesem Dräuen und Dröhnen bis zur letzten Note fest. Das drängt Simone Schneider (Sieglinde) und Iréne Theorin (Brünnhilde) zwar fallweise an den Rand ihrer Möglichkeiten, katapultiert Christopher Ventris (Siegmund) und Michaela Schuster (Fricka) aber in Ausnahmebereiche ihrer Intensität, während Jongmin Park (Hunding) mit seinem barschen Bass brilliert. Jubel.
Christoph Irrgeher | 09.04.2018
Tomasz Koniecnzy singt als Wotan Weltklasse
Der Ritt der Walküren begeistert nicht nur eingefleischte Wagnerianer in der Wiener Staatsoper, sondern, seit Hollywood die fanfarenartige Musik im Vietnam-Drama „Apocalypse Now“ monumental in Szene gesetzt hat, auch viele Menschen, die noch nie ein Opernhaus von innen erblickt haben.
Mit dem mittellosen, rastlos durch den Wald irrenden Flüchtling Siegmund hat Richard Wagner eine Figur in die Welt gesetzt, mit der sich der zu dieser Zeit im Schweizer Exil lebende Komponist selbst identifiziert haben dürfte. Der Brite Christopher Ventris, 57, gibt einen soliden Siegmund, mit einem schönen tiefen und mittleren Register, jedoch mit Schwächen in den Höhen, vor allem im Forte-Bereich.
Das sich entfachende inzestuöse Liebesdrama der beiden Halbgötter Siegmund und seiner Zwillingsschwester Sieglinde will keinen besonderen Herzschmerz erzeugen. Trotz einer guten stimmlichen Darbietung der deutschen Sängerin Simone Schneider will man dem unharmonisch wirkenden Bühnenpaar die Leidenschaft nicht so wirklich abkaufen. Das von einem mysteriösen Fremden in die Esche gerammte Schwert Notung wurde auch schon theatralischer entrissen.
Das Pathos steckt viel mehr im wieder einmal großartigen Wotan des Tomasz Koniecnzy, 46, dessen Lieblingswotan „jener aus der Walküre“ ist. Nicht nur der polnische Bassbariton, sondern das ganze Wiener Publikum leidet mit dem alle Höhen und Tiefen durchlebenden Walkürenvater mit, dessen unmenschliche Gesangpartie selbst diesen Götter-Bariton zum Ende hin an die Grenzen des Machbaren treiben: zwei Huster im dritten Aufzug schmälern nicht die Ausnahmeleistung des Parade-Wotans.
Das Gesamtpaket aus Schauspiel, Gesang und charismatischer Bühnenpräsenz des Speer schwingenden Gottes mit überwiegend klarer, Raum erfüllender Stimme hält dem Prädikat WELTKLASSE weiterhin stand. Auch sein unglückliches Weib Fricka findet an diesem Abend in der deutschen Mezzosopranistin Michaela Schuster eine große tragende Stimme.
Alle glücklichen Kartenbesitzer des „Siegfried“ und der „Götterdämmerung“ werden in den Genuss kommen Konieczny noch als Wanderer und als Gunther erleben zu dürfen – „Heil dir, Gunther“!
Der Hunding des jungen Südkoreaners Jongmin Park, 31, ist erfüllt von einem mächtigen, sonoren Bass, dem es nur ein wenig an der deutlichen Aussprache mangelt.
Die Vater-Tochter Beziehung zwischen Wotan und dessen Lieblingstochter Brünnhilde nimmt mit der tragischen Abschiedsszene Leb‘ wohl, du kühnes, herrliches Kind! ihren Lauf. Rührend dargeboten sowohl von Konieczny als auch von der tapferen, dem Göttervater widerspenstigen Walküre Iréne Theorin, 54, die bei ihrem Rollendebüt an der Wiener Staatsoper zu überzeugen weiß.
Die schwedische Diva, die ihre Ausbildung in der Meisterklasse der großen Wagner-Interpretin Birgit Nilsson genoss, schmeichelt in den tieferen Lagen – vor allem bei den Pianissimi. Aufgrund der langen Zusammenarbeit mit Maestro Adam Fischer, 68, bei dessen Wagner-Festspielen in Budapest sie regelmäßig die Brünnhilde singt, stimmt die Harmonie zwischen der dramatischen Sopranistin und dem Orchestergraben.
Aus diesem entweichen mal kammermusikalisch zärtliche Liebesgeständnisse, dann gewaltige Tutti-Ausbrüche oder ein melancholisch, bezauberndes Cello-Solo. Nur drei junge Hornisten, die sich während des Abends auch immer wieder ungeniert unterhalten, anstatt sich mit Haut und Haar den Walküren zu opfern, hauen – nicht ganz so schmerzhaft wie am „Vorabend“ – öfter daneben.
Nachdem das von Sven-Eric Bechtholf inszenierte gigantische Musikdrama mit einem imposanten, die ganze Bühne erfassenden multimedialen Feuerzauber vorerst sein Ende nimmt, strahlt der schicksalsträchtige Ring weiterhin über der Hauptstadt Wien, die sich nach einem wagemutigen Helden sehnt…
Sichtlich erleichtert diesen dramaturgischen Koloss erfolgreich über die Bühne gebracht zu haben, genießen die Sänger, Sängerinnen und der Wagner-Spezialist Adam Fischer den langanhaltenden, frenetischen Schluss-Applaus samt zahlreicher begeisterter Bravi.
Jürgen Pathy | 9 April 2018