Siegfried

Hendrik Vestmann
Oldenburgisches Staatsorchester
Date/Location
28 September 2022
Staatstheater Oldenburg
Recording Type
  live  studio
  live compilation  live and studio
Cast
SiegfriedZoltán Nyári
MimeMatthias Wohlbrecht
WotanKihun Yoon
AlberichLeonardo Lee
FafnerAndreas Hörl
ErdaEdna Prochnik
BrünnhildeNancy Weißbach
WaldvogelMartha Eason
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Reviews
opernmagazin.de

Grossartiges Musiktheater

Es ist der mit Spannung erwartete dritte Abend im Reigen der Ring-Tetralogie. „Siegfried“ schafft eine Verbindung zum großen Finale, der „Götterdämmerung“. Die im August 1876 zum ersten Mal aufgeführte Oper befasst sich thematisch mit dem Titelhelden und seiner Beziehung zu den zuvor eingeführten Figuren.

Dabei bringt Siegfried auch viel Unruhe in das Handlungsgeschehen. Der Zwerg Mime ist sein Ziehvater. Er versucht, das zerbrochene Schwert Nothung neu zu schmieden. Von Wotan erfährt er nach einer Wette, dass dies nur jemandem gelänge „der das Fürchten nicht gelernt“. Als dieser jemand erweist sich Siegfried. Er schmiedet das Schwert ohne Mühe neu, muss sich aber vor den Plänen seines Ziehvaters in Acht nehmen. Dieser möchte den Helden dazu nutzen, das Rheingold sowie den Ring des Nibelungen an sich reißen. Zusammen mit Mimes Bruder Alberich weckt Wotan den Riesen Fafner, der in Gestalt eines Drachen über sein Gold wacht. Da dieser nicht auf die Warnungen der Beiden hört, wird er von Siegfried mit dem Schwert Nothung erschlagen. Durch das Blut des Drachen ist er in der Lage, die Stimmen des Waldvogels zu hören. Dieser rät ihm, den Ring sowie den Tarnhelm an sich zu nehmen. Außerdem kann er jetzt Gedanken lesen und erkennt so Mimes falsche Absichten. Im Streit erschlägt Siegfried seinen Ziehvater.

Sein Großvater Wotan sucht indes Rat bei der Erdgöttin Erda (Mezzosopranistin Edna Prochnik mit warmer, angenehmer Stimme), die ihm jedoch auch nicht sagen kann wie es weiter geht. Damit ist Wotans Ende besiegelt.

Vor dem Brünnhildefelsen kommt es zu einer Begegnung zwischen Wotan und Siegfried. Der Furchtlose zerschlägt dabei Wotans Speer und erweckt Brünnhilde aus ihrem Schlaf. Die beiden werden nach einigem Zögern der Walküre schließlich ein Liebespaar.

Auf der Bühne herrscht zeitweise eine düstere Atmosphäre vor, deutlich finsterer als bei den vorherigen Aufführungen. Die große, im Mittelpunkt stehende Weltesche hat mittlerweile gelb gefärbte Herbstblätter. Durchbrochen wird die Dunkelheit durch bewusste helle Momente; Siegfried als kindlich-naiver Held fürchtet sich vor nichts und tanzt allein vor Fafners Höhle durch den von Sonnenlicht durchdrungenen Herbstwald. Großartige Bilder sind auch bei den anderen Szenen zu sehen. Die Schmiede ist ein Meisterwerk der Bühnenbaukunst mit funktionierendem Blasebalg und zerbrechendem Amboss. Rot glühender Stahl flammt in der Dunkelheit auf, als Siegfried das Schwert Nothung neu gießt. Ein wahnsinniger Effekt! Die Inszenierung von Paul Esterhazy ist eng an das Libretto angelehnt, spielt jedoch größtenteils in einem Bauernhaus. Dies unterstreicht glänzend Richard Wagners Aussage, Siegfried müsse einen Hut haben, „wie man ihn auch jetzt bei einzelnen Bauern antreffen kann.“ Somit werden die Handlung und Aussage des Werks wirklichkeitsnah. Auch die Kostümierung (Bühne/Kostüme: Mathis Neidhardt) ist erstklassig umgesetzt. Durch spezielle Laufwege auf der Bühne, Schuhe an den Knien und den Einsatz eines Doubles (Peter Brownbill) ist die Illusion vom Zwerg Mime perfekt. So geht Theater!

Die Protagonisten machen zudem eine deutliche Wandlung durch, die erkennen lässt, dass ein Ende bald naht. So sitzt der Zwerg Alberich bei seinem ersten Auftritt wieder auf der Toilette, diesmal jedoch offensichtlich betrunken. Wotans Haare sind vor Sorge schütter und grau geworden. Die aus dem Schlaf erwachende Brünnhilde allerdings lässt alles in jugendlicher Pracht erstrahlen. Ihre zuvor vom Vater abgeschnittenen Haare sind nachgewachsen, ein Hinweis darauf wer später die wahre Siegerin im Konflikt um den Ring sein wird.

Der Wechsel zwischen heiter und traurig, laut und leise gelingt dem Oldenburgischen Staatsorchester höchst eindrucksvoll. Gänsehautmomente schaffen vor allem die Soli bei der Waldvogelszene. Generalmusikdirektor Hendrik Vestmann führt das Orchester brillant durch die verschiedenen Tempi und Lautstärken. Minutenlanger Applaus am Schluss der Oper gab es für diese großartige Leistung der Musiker.

Auch beim Gesang wechseln sich in dieser Oper heitere und gedrückte Momente ab. Martha Eason trällert als Waldvogel mit traumhafter Sicherheit und wunderbar klaren Höhen die schnellen Gesangspassagen. Einen sehr eindrucksvollen Auftritt zeigt auch Andreas Hörl als Fafner. Sein klarer, kräftiger Gesang wirkt durch den Einsatz eines Echogeräts geradezu bedrohlich.

Einen eher kurzen, aber dennoch wichtigen Auftritt hat der Nibelung Alberich. Verkörpert wird er beim Oldenburger „Siegfried“ von Leonardo Lee. Er singt die Rolle mit starker, fester Stimme, vor allem das Zusammentreffen mit Wotan gerät so zu einem wahren Hörvergnügen. Dieser wird überzeugend von Kihun Yoon gesungen, der zuvor auch schon bei der „Walküre“ begeisterte.

Sie ist so etwas wie eine Schlüsselfigur in der „Ring-Tetralogie“. Nancy Weißbach hat als Brünnhilde sowohl in „Walküre“ als auch in „Siegfried“ mit ihrem Gesang das Publikum verzaubert. Mit ihren dramatischen, klaren Höhen setzte sie berührende Akzente. Bravo für diese großartige Leistung!

Ein Gewinn für das Oldenburgische Staatstheater ist der Auftritt von Zoltán Nyári als Siegfried. Seine Stimme lässt mit ihrer Ausdrucksfähigkeit alle Facetten dieser Rolle erstrahlen; von Spott über Sehnsucht bis hin zur Wut. Mit schier unendlicher Kraft und einem feinen Schmelz in der Stimme singt er den Siegfried vom ersten bis zum letzten Akt. Grandios vor allem die Szene, in der Siegfried das Schwert Nothung schmiedet. Mit scheinbar spielender Leichtigkeit gelingt dem ungarischen Sänger diese gesangliche Herausforderung.

Ks. Matthias Wohlbrecht hat ein unvergleichliches, außergewöhnliches Timbre in der Stimme. Er singt jeden Ton mit großer Hingabe und viel Ausdruck und wird so zu einem singenden Geschichtenerzähler. Das passt perfekt zu der Rolle des Mime, die dadurch zusammen mit seinen großartigen darstellerischen Leistungen regelrecht zum Leben erweckt wird. Dafür gab es beim Schlussapplaus großen Jubel und viele Bravorufe aus dem Publikum.

Einhellige Zustimmung vom Publikum nach diesem rundum gelungenen SIEGFRIED. Am Samstag folgt dann die GÖTTERDÄMMERUNG.

Katrin Düsterhus | 15. Juli 2022

klaus-billand.com

Ungewöhnliche menschliche Intensität

Der bereits im Jahre 2017 begonnene und wegen der Pandemie mehrfach aufgehaltene neue „Ring des Nibelungen“ am Oldenburgischen Staatstheater wird in diesen Tagen dreimal zyklisch aufgeführt. Die zweite Runde ist bei „Siegfried“ angelangt, der gestern Abend vor völlig ausverkauftem Haus – wie schon „Das Rheingold“ am 9. und „Die Walküre“ am 11. September – mit großer Begeisterung des oldenburgischen Publikums und auch weit angereister Gäste eine überaus lebhafte, völlig stimmige und dennoch phantasievolle Interpretation erlebte.

Der österreichische Regisseur Paul Esterházy, mit dem Intendanten Christian Firmbach schon länger von gemeinsamer Arbeit an einem anderen Hause bekannt, wählte mit seinem kongenialen Bühnen- und Kostümbildner Mathis Neidhardt ein rustikal-bäuerliches Ambiente in einem immer wieder rotierenden Bühnenbild aus Scheunenholz. Das erwies sich als eine für ein kleines Haus nahezu ideale Lösung, Wagners „Ring“ in einer menschlich intensiven und emotional fokussierten Ästhetik zu erzählen. Dabei ergab sich der Eindruck einer gewissen Familien-Saga ganz beiläufig, wie sie nun in Bayreuth von Valentin Schwarz so bemüht und lautstark postuliert und dann doch so verfehlt wurde. Dieser „Ring“ spielt vollkommen den immer verrückter werdenden regietheatralischen Bemühungen unserer Wagner-Tage entgegengesetzt ganz bodenständig irgendwo in einem kleinen Dorf in den Bergen, in denen Richard Wagner so gern wanderte. Man denke nur an seine legendären Ausflüge auf das Schweizer Faulhorn.

Indem das Stück derart konsequent auf eine Mikro-Ebene heruntergebrochen wird, zeigt sich die enorme Potenz und Suggestivkraft der Wagnerschen Werkaussage und der ihr entsprechenden Partitur mit einer dazu bestens passenden Personenregie umso intensiver. Und diese Musik weiß der oldenburgische GMD Hendrik Vestmann mit dem Oldenburgischen Staatsorchester ebenso intensiv und packend umzusetzen. Man meint bisweilen, auch aufgrund der guten Akustik im relativ keinen Haus, mitten im musikalischen Geschehen zu sitzen.

Zoltán Nyari, der schon als kämpferischer Siegmund mit beeindruckender tenoraler Potenz aufwartete, war nun ein ebenso agiler und stimmstarker Siegfried, dessen großartiges vokales Potenzial nur noch eines gewissen Feinschliffs bedarf. Dann wird er ganz weit kommen. Die in dieser Rolle schon weithin bekannte Nancy Weißbach (auch in Klagenfurt in der „Walküre“) gab eine emphatische und stimmschöne Brünnhilde. Sie gestaltete das Finale mit Nyári sehr musikalisch und ergreifend. Die Koreaner Kihun Yoon als Wanderer und Leonardo Lee als Alberich, die im „Rheingold“ die Rollen getauscht hatten, schienen sich gegenseitig überbieten zu wollen, wer der Sänger mit der größten Stimmkraft ist. Beide haben mit einer perfekten Diktion und Phrasierung, und vor allem Yoon mit einem immer wieder bestechenden Legato internationales Format.

Edna Prochnik gab eine geheimnisvolle, tiefgründige und urmütterhafte souveräne Erda mit einen klangvollen tiefen Mezzo, die gleichwohl immer noch erotische Anziehung ausübt. Der Wanderer konnte verständlicherweise kaum von ihr lassen. Die Nornen in Weiß woben unterdessen weiter am Schicksalsfaden… KS Matthias Wohlbrecht sang und spielte einen persönlichkeitsstarken Alberich, immer wieder mit kraftvollen Höhen und emotionalen Ausbrüchen seines Charaktertenors begeisternd. Er wurde geschickt von Peter Brownbill gedoubelt, um ihm etwas die Last, auf Knien gehen zu müssen, abzunehmen. So waren also beide tatsächlich Zwerge.

Andreas Hörl war ein in der Tat riesiger Riese Fafner, auf Stelzen gehend, was Erinnerungen an die Riesen in Patrice Chéreaus „Rheingold“ von Bayreuth 1976 aufkommen ließ. Hörls Bass ist noch tiefer und klangvoller geworden als ich mich von seinem Hagen vor Jahren in Meinigen erinnern kann. Martha Eason zwitscherte einen hellen Waldvogel mit dem ebenso an Chéreau erinnernden Vogel im Käfig, den Sieglinde einst mit Siegmund aus Hundings Hütte rettete. Auch im Vogelbauer sitzt ein Pärchen!

Klaus Billand | Oldenburg/Staatstheater: 14. September 2022

Rating
(4/10)
User Rating
(2/5)
Media Type/Label
Technical Specifications
320 kbit/s CBR, 44.1 kHz, 541 MByte (MP3)
Remarks
In-house recording
A production by Paul Esterhazy (2018)
This recording is part of a complete Ring cycle.