Tristan und Isolde
Markus Poschner | ||||||
Chor und Orchester der Bayreuther Festspiele | ||||||
Date/Location
Recording Type
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Tristan | Stephen Gould |
Isolde | Catherine Foster |
Brangäne | Ekaterina Gubanova |
Kurwenal | Markus Eiche |
König Marke | Georg Zeppenfeld |
Melot | Ólafur Kjartan Sigurðarson |
Ein junger Seemann | Siyabonga Maqungo |
Ein Hirt | Jorge Rodríguez-Norton |
Steuermann | Raimund Nolte |
Reformstau im Wagner-Tempel
Mit «Tristan und Isolde» und allerlei Skandal-Getöse starten die Bayreuther Wagner-Festspiele. Was steckt hinter der Aufregung?
Der Grüne Hügel ist dürr geworden. Hitze und Trockenheit haben ihm sichtlich zugesetzt. Auch am Tag der Eröffnung der Richard-Wagner-Festspiele herrschen hier oben in Bayreuth Temperaturen von weit über dreissig Grad. Im Festspielhaus, das weder eine nennenswerte Klimatisierung noch einen modernen Brandschutz besitzt, kocht die Luft. Die erhitzte Atmosphäre könnte freilich auch symbolisch für die gegenwärtige Situation bei den Festspielen stehen: Kontroversen und Skandale sind hier nichts Neues, diesmal aber brodelt es gewaltig in der Skandalon-Küche.
Ob Sexismus und Vorwürfe des Machtmissbrauchs, pandemiebedingte Umbesetzungen oder die laufende Renovation des historischen Festspielhauses: Die Liste der Baustellen für die Festivalleitung ist lang. Inzwischen hat Katharina Wagner selber «Strukturreformen» angemahnt. Die 44 Jahre alte Regisseurin, eine Urenkelin des Komponisten, leitet die Festspiele seit 2008, von 2015 an bis heute in Alleinverantwortung. In drei Jahren läuft ihr derzeitiger Vertrag aus. Ob sie ihn verlängern wird, das macht sie von grundlegenden Reformen abhängig, wie Wagner kurz vor der Festspiel-Eröffnung sagte. Was sie konkret meint, lässt sie allerdings offen.
Personalienkarussell
Es dürfte sich um ein komplexes Bündel von Fragen und Problemen handeln, zumal bei den Bayreuther Festspielen traditionell viele Seiten mitreden wollen, nicht zuletzt die bayrische Landes- und die Berliner Bundespolitik (als wichtigste Geldgeber). Für Katharina Wagner geht es dabei wohl zentral um ihre künstlerische Entscheidungshoheit, die bis heute immer wieder infrage gestellt wird. Und es berührt wohl auch eine prominente Personalie: Christian Thielemann.
Der Dirigent, einer der führenden Wagner-Exegeten unserer Zeit, leitet in diesem Jahr in Bayreuth den «Lohengrin». Wie aus Musikerkreisen zu hören ist, soll es bei den Proben schroff zugegangen sein. Das kennt man von Thielemann aus seiner Zeit an der Deutschen Oper Berlin, bei den Münchner Philharmonikern und bei der Sächsischen Staatskapelle Dresden. Wer ihn engagiert, holt sich einen «Taktstock-Autokraten» sehr alter Schule ins Haus.
Es ist kein Geheimnis, dass sich das Verhältnis zwischen Katharina Wagner und Thielemann mittlerweile merklich abgekühlt hat. Sie möchte ihn offenbar aus Bayreuth hinausdrängen, ähnlich wie es Nikolaus Bachler bei den Salzburger Osterfestspielen tat. Das Problem ist nur, dass Wagner selber die Position Thielemanns gestärkt hat, als sie ihn 2015 zum ersten Musikdirektor in der Geschichte der Festspiele kürte. Sein Vertrag ist 2020 ausgelaufen, aber die Wagnerianer lieben ihn.
Wenn Thielemann dirigiert, verkaufen sich im Übrigen auch die Karten besonders gut. Sogar im früher vielfach überbuchten Bayreuth ist das nicht mehr selbstverständlich: In diesem Jahr waren jüngst im Internet und selbst an der Abendkasse noch Karten erhältlich, obwohl wegen der laufenden Sanierung im Festspielhaus rund zweihundert Plätze weniger zur Verfügung stehen. Es soll Corona-bedingte Rückläufe geben, heisst es offiziell. Auf einer Pressekonferenz sprach Katharina Wagner indessen auch von einem generellen «Publikumsschwund» infolge der Pandemie, der allenthalben zu beobachten sei.
Generell bleibt die Pandemie präsent. So musste beim neuen «Ring»-Zyklus, der am Sonntag startet, der an Corona erkrankte Dirigent Pietari Inkinen durch Cornelius Meister ersetzt werden. Meister sollte eigentlich die Eröffnungspremiere von «Tristan und Isolde» leiten – das wiederum übernahm ebenso kurzfristig Markus Poschner, der Chefdirigent des Orchestra della Svizzera italiana.
Dass erstmals fünf Neuproduktionen gezeigt werden, ist ebenfalls der Pandemie geschuldet: als Notfall-Lösung bei einer allfälligen Absage der «Ring»-Aufführungen wegen Corona. Erst Ende 2021 wurde Roland Schwab mit der «Tristan»-Inszenierung beauftragt, was eine konzise Durchdringung erschwert. In seiner Regie setzt Schwab auf die ewige, romantisch überhöhte Liebe von Tristan und Isolde.
Gut und Böse
«Ewig», so leuchtet in altindischem Sanskrit eine rote Schrift. Das bezieht sich nicht nur auf dieses paradigmatische Liebespaar, sondern auch auf Arthur Schopenhauer. Die Schriften des Philosophen bilden den geistigen Hintergrund zum «Tristan», und wie Schopenhauer war auch Wagner vom Buddhismus fasziniert. Für die Bühne hat Piero Vinciguerra einen gewölbten Einheitsraum geschaffen, der sich nach oben hin öffnet. In Videoprojektionen ziehen Wolken vorüber, bis die Sterne funkeln. Das Liebespaar verliert sich entweder in projizierten Liebesstrudeln – oder es planscht freudig im Wasser.
Die Kostüme von Gabriele Rupprecht greifen die klare Rollenverteilung in Gut und Böse auf, welche die Regie vornimmt: Tristan und Isolde tragen weiss, der Kurwenal von Markus Eiche sowie Melot von Olafur Sigurdarson schwarz, der Marke von Georg Zeppenfeld trägt beides. Überdies rückt die Regie die Personen selber in den Fokus. Das kann funktionieren, wenn die Stimmen mitmachen. Leider hatte Stephen Gould als Tristan an der Premiere Probleme mit der Intonation. Ganz anders Zeppenfeld: In seinem Rollenporträt des betrogenen Königs greifen Schöngesang, dramatische Dringlichkeit und Wortausdruck ineinander. Dagegen war die Textverständlichkeit ein zentrales Problem sowohl der Isolde von Catherine Foster wie der Brangäne von Ekaterina Gubanova.
Markus Poschner gelingt dagegen bei seinem kurzfristig anberaumten Bayreuth-Debüt eine hellhörige Interpretation, nuancenreich durchgestaltet bis ins fragilste Piano. Zudem weiss Poschner Tempi grossflächig und mit weitem Atem zu entwickeln, ohne sie zu zerdehnen – auch dank einer glasklaren Artikulation. Dieser eigenständige Ansatz macht deutlich, wie sehr es sich lohnt, den Wagner-Klang von der Fixierung auf Thielemanns romantische Opulenz zu befreien. Wenn Bayreuth auch in der Musik stilprägend wirken möchte, muss dieses Festival eine offene, agile Werkstatt der Wagner-Interpretation sein.
Immerhin: Für die Wiederaufnahme des «Tannhäuser» im kommenden Sommer wurde die aufregende Dirigentin (und Altistin) Nathalie Stutzmann verpflichtet. Und die «Parsifal»-Neuinszenierung von Jay Scheib soll 2023 der Spanier Pablo Heras-Casado leiten. Er ist gleichermassen in der zeitgenössischen Musik wie in der historischen Aufführungspraxis zu Hause.
Marco Frei | 26.07.2022
Schau, schau, die Liebe: „Tristan und Isolde“ bei den Bayreuther Festspielen
Wer nur Schauwerte und schöne Ästhetik braucht, der ist mit diesem „Tristan“ zum Start der Bayreuther Festspiele bestens bedient. Musikalisch leistet Einspringer-Dirigent Markus Poschner dagegen Bemerkenswertes.
Nur noch ein paar Takte zum Aktschluss eins, da spielen die Sterne verrückt. Immer schneller drehen sie sich auf dieser Bodenscheibe, ein rasender Video-Strudel bis zum weißen Rauschen. Darauf das hohe Paar, liegend. Und kurzzeitig bangt man, ob Tristan und Isolde nicht mit lautem Plopp in diesem Gestirns-Wasser-Loch verschwinden, auf dass sie in einem anderen, besseren Leben wieder ausgespuckt werden. Viele solche Gedanken macht man sich, es ist ja dafür Zeit und Raum an diesem Eröffnungsabend der Bayreuther Festspiele.
Regisseur Roland Schwab, erst im Dezember für diese Kurzfrist-Produktion engagiert, hat schon vorher gesagt: Das ultimative Liebesdrama der Operngeschichte könne man eigentlich nicht inszenieren, nur CD oder Partiturlesen, dies sei doch der optimale Genuss. Entsprechend ist der Münchner in die Knie gegangen. Vor „Tristan und Isolde“, vor dem heil’gen Ort und auch vor den Visionen seines Bühnenbildners Piero Vinciguerra und des Video-Künstlers Luis August Krawen.
70 Jahre nach der Bayreuther Nachkriegseröffnung also gibt es wieder à la Wieland Wagner eine Bühnenscheibe. Als sei dieses Rund herausgebrochen aus der Decke, die nun den Blick freigibt: auf einen gestirnten Himmel, auf Gestalten, die dort bedeutungsschwanger wandeln oder sich am Ende des zweiten Aufzugs stückgemäß bekämpfen, auch auf mächtiges Pflanzenrankwerk, das in den futuristischen Raum herabhängt. Der bewegt sich mit seinen Liegestühlen zwischen Wellnessbereich der Raumpatrouille (Akt eins) und von Kerzen umstellte Grablagerstätte des Helden (Akt drei), der nochmals zum Fieberwahnleben erwacht und alle umstoßen darf.
Wer nur Schauwerte braucht und sich an Ästhetik laben will, der ist perfekt versorgt. Wer keine Belästigung will, auch: Schon zur ersten Pause kriegt sich das Publikum mit Trampeln und Jubel gar nicht mehr ein. „Schön, dass wir alle wieder hier zusammensitzen“ – vor allem das schwingt dabei mit. Wer allerdings mehr will als Schönes am Rande des Kitsches oder Arrangements-Zauber, der wird fünf sehr lange Stunden ausgehungert.
Immerhin: Schwab lässt sich das Drama behutsam entwickeln. Man versteht in jeder Sekunde, worum es geht. Und doch sind da nur Fremde auf der Bühne. Personen, deren Woher und Wohin, deren innere Verfasstheit und nach außen drängende Motivation kaum sichtbar sind. Es muss nicht immer die Psycho-Couch sein. Aber „Tristan und Isolde“ wird in dieser Version zum Figurenschachspiel, zur reinen Draufsicht, zum Arrangement, das die Handelnden oft nur als Ornament begreift.
„Tristan“ als Ersatzstück bei Corona-Absagen
Bekanntlich war die Produktion gar nicht vorgesehen in diesem Bayreuth-Sommer. Festspiel-Leiterin Katharina Wagner wollte den weitgehend chorlosen „Tristan“ als Ersatzstück, falls die groß besetzten Chor-Opern „Lohengrin“ und „Tannhäuser“ positiven Tests zum Opfer fallen. Zweimal wird er offiziell gezeigt, wenn Corona will öfter. Nur nächstes Jahr gibt es eine Reprise. Mit mangelnder Probenzeit lässt sich die Regie trotzdem nicht entschuldigen. Darüber müsste sich schon eher Markus Poschner beschweren, der erst seit einer guten Woche dabei ist.
Wer von diesem Dirigenten eine Sicherheitsnummer erwartete, sieht sich verblüfft. Was aufs Konto von Poschner geht, was auf das des hochmotivierten Festspielorchesters, das wird sich nie klären lassen. Schon ab den ersten Takten spricht aus der Interpretation ein „Achtung, hinhören“. Mit langen Generalpausen im Vorspiel, überhaupt mit einem (manchmal zu tempoarmen) Aufdröseln der komplexen Partitur. Und dann nimmt alles Anlauf, rast wie im Finale des ersten Akts ungebremst über die Ziellinie. Die Pendelausschläge dieser Deutung sind hoch, Übergänge manchmal riskant und daher spannend. Musikalisch ist der Abend sehr partitur- und wirkungsbewusst, obgleich sich manches nicht immer mit dem Gesangspersonal verzahnt. Im Liebestod eilt Catherine Foster ungerührt dem Dirigenten davon. An solchen Stellen ist zu hören, wie viel noch einrasten muss.
Mit hochdramatischem Aplomb singt Catherine Foster ihre Isolde – leider ist dabei wenig zu verstehen. © Enrico Nawrath
Die Isolde singt sie mit enormem hochdramatischen Aplomb. Das Mädchenhafte in der Stimme ist fast weg, die Artikulation leider auch. Eine nimmermüde Sopranistin, die über ein großes Potenzial verfügt. Hier wird es nur teilweise abgerufen. Stephen Gould beginnt als Tristan mit angezogener Handbremse, steigert sich von Akt zu Akt. Ein Wagner-Recke, den schon lange nichts mehr schreckt. Der Mann klingt ausgeruht, erotisches Schillern muss man sich bei anderen Tenören suchen.
Ekaterina Gubanova (Brangäne) ist in ihrer großstimmigen Textarmut eine Schwester Isoldes. Die Regie blendet diese Figur so gut wie weg, reduziert sie zur Stichwortgeberin. Am flexiblen Granitbariton von Markus Eiche (Kurwenal), an seiner Entwicklung der Klangverläufe aus dem Wort mag man sich dagegen nicht satthören. Ebenso an Georg Zeppenfeld, dem 1800 Gala-Gäste an den Lippen hängen, als hörten sie König Markes Monolog zum ersten Mal.
Ansonsten leistet sich das Publikum die schlechteste Bayreuth-Premiere seit Langem. Im Lärm der Zuspätkommer gehen die ersten Takte unter, lange leuchten Handy-Lichter durch die Reihen, alle paar Minuten plumpst etwas auf den Holzboden. Aus irgendeinem Satire-Himmel muss Loriot die Fäden geführt haben.
Markus Thiel | 26.07.2022
Einhellige Begeisterung: “Tristan und Isolde” eröffnet Bayreuther Festspiele
Mit physischer Wucht ins Reich der Sehnsucht: Das vokale Power-Couple Stephen Gould und Catherine Foster als Tristan und Isolde in Roland Schwabs Neuinszenierung
Die Anreise: mit verspäteten, überfüllten Zügen über vertrocknete Felder. “Il faut méditerraniser la musique”, forderte Friedrich Nietzsche einst. Was Klima und Zugverkehr anbelangt, ist die Transformation geschafft, da ist das Dürreland Deutschland längst das neue Italien. Vor Beginn der Premiere des großen Nachtverklärungsstücks Tristan und Isolde knallte in Bayreuth die Nachmittagssonne bei 35 Grad im Schatten vom azurblauen Himmel.
Nach zwei Jahren Pandemiepause ein kurzer Check: Das Festspielhaus steht stolz und fest auf dem hellgrünen Hügel. Chefin Katharina Wagner ist nach einer lebensgefährlichen Lungenembolie 2020 wieder auf ihrem Posten, der Vertrag der Urenkelin des Komponisten läuft noch drei Jahre. Wird er verlängert? Man hört von Spannungen mit dem Verwaltungsrat der Festspiele und von einer Fluktuation im Bereich der leitenden Mitarbeiter.
Zur Neuinszenierung von Tristan und Isolde – die letzte besorgte sie 2015 selbst – entschloss sich Wagner relativ kurzfristig. Erst letzten Dezember wurde bei Roland Schwab bezüglich der Regie anfragt: “Es war crashmäßig, aber das liebe ich”, verriet der 52-Jährige. Schwab versprach eine Deutung ohne den “interpretativen Hammer”, die auf einem “nuancierten Nachspüren der Musik” gründen sollte. Klingt danach, als ob es dem Bayreuther Stammpublikum nach all den Herausforderungen von Schlingensief, Castorf und Co gefallen könnte.
Schwergewichte ihres Stimmfachs
Und das tat es auch: Das Regieteam wurden mit Beifall überhäuft. Szenischer Deutungskokolores hielt sich in Grenzen, lediglich eine ganz junge und eine ganz alte Version des Liebespaars rahmte das Geschehen. Und das futuristische Bühnenbild (von Piero Vinciguerra) ist stimmig und schön: Im ersten Aufzug sah man eine Luxusyacht mit Indoor-Pool und ovalem Riesenfenster zum Oberdeck; im zweiten wurde das Schiff zum (begrünten) Raumschiff, das in die unendlichen Weiten allewiglicher Liebe aufbrach. Die eiförmige Schale des Transportmittels verstärkte die Stimmen ideal, sodass dieses “opus metaphysicum aller Kunst” (noch mal Nietzsche) von physischer Wucht geprägt war.
Denn bezüglich der zentralen Passagiere auf diesem Trip hat man in Bayreuth mit Stephen Gould als Tristan und Catherine Foster als Isolde auf bewährte Schwergewichte ihres Stimmfachs gesetzt. Gould wurde vom Festspielpublikum wie ein alter Freund begrüßt, über dessen Macken man hinweghört: etwa die kurzen Irrwege des Amerikaners in Sachen Intonation oder die Angewohnheit, lange Kantilenen eher nonchalant als formvollendet abzuschließen. Gould, optisch eine Art Hannes Kartnig mit Howard-Carpendale-Akzent (“Das Lischt! Das Lischt!”), begann bärenstark und legte im kräftezehrenden letzten Aufzug sogar noch zu, ja explodierte regelrecht.
Kurze Irritationen im Graben
Catherine Foster hat in Bayreuth sechs Sommer in Folge die Brünnhilde gesungen, und so wunderte es nicht, dass sie ihre Isolde kämpferisch anlegte: Wie ein flammender Meteorit zog ihr Sopran seine strahlende Bahn, wuchtig und frei von jeder Schärfe. Aber auch leise kann die Britin gut. Foster erinnerte zu Beginn frappierend an Hannelore Hogers Bella Block, die nach einer zu kurzen Nacht fahrig, gereizt und mit Sonnenbrille ihrer Umwelt ins Gesicht faucht. Das Power-Couple fühlte sich in den überwältigenden Passagen am wohlsten, die Nacht der Liebe sank hingegen eher wackelig hernieder. Sie barg in ihrer szenischen Umsetzung auch komisches Potenzial, wenn Gould und Foster mit ausgestreckten Armen und Schunkelbewegungen an altgediente Schlagerstars auf einer fête blanche erinnerten.
Im Miteinander der Sänger und des Grabens gab es kurze Irritationen; im Festspielorchester waren die Holzbläser magisch, bei den Streichern misste man die letzte Synchronizität und Makellosigkeit. Egal: Markus Poschner, der Linzer Musikchef und Bayer in Bayreuth, wurde vom Publikum mit uneingeschränkter Begeisterung für seine Übernahme des Dirigats gefeiert. So wie auch Stammkraft Georg Zeppenfeld, der als König Marke eine Demonstration vokaler Vollkommenheit gab. Herausragend auch die Brangäne Ekaterina Gubanovas: eine fast herrische Dienerin in teuflischem Schwarz (Kostüme: Gabriele Rupprecht) und mit fokussiertem, edlem Mezzo. Im dritten Aufzug fand Markus Eiche als Kurwenal zu seiner Extraklasse; von gedrungener, kompakter Kraft: Olafur Sigurdarson als Melot. Das erhitzte Publikum wurde nach sechs Stunden in eine kühle Nacht entlassen.
Stefan Ender | 26.07.2022