Die Walküre

Simon Rattle
Orchester der Wiener Staatsoper
Date/Location
31 May 2015
Staatsoper Wien
Recording Type
  live   studio
  live compilation   live and studio
Cast
Siegmund Christopher Ventris
Hunding Mikhail Petrenko
Wotan Tomasz Konieczny
Sieglinde Martina Serafin
Brünnhilde Evelyn Herlitzius
Fricka Michaela Schuster
Helmwige Donna Ellen
Gerhilde Ildikó Raimondi
Ortlinde Hyuna Ko
Waltraute Margaret Plummer
Siegrunde Ulrike Helzel
Grimgerde Monika Bohinec
Schwertleite Carole Wilson
Roßweiße Juliette Mars
Stage director Sven-Eric Bechtolf (2007)
Set designer Rolf Glittenberg
TV director Ella Gallieni
Gallery
Reviews
Die Presse

„Walküre“ unter Simon Rattle: Gleißende Töne, dunkler Sinn

Herlitzius glüht als neue Brünnhilde, Konieczny, eingesprungen als Wotan, hat in dieser Rolle an Format gewonnen. Aber insgesamt bleibt Sir Simon Rattles erste Wiener „Walküre“ heißes Bemüh’n ohne innere Hitze.

Eindrucksvoll, aber doch auch merkwürdig, dieser „Erste Tag“ von Wagners „Ring des Nibelungen“, erstmals unter der Leitung von Sir Simon Rattle an der Staatsoper. Die gröbsten Unsicherheiten des „Rheingold“ waren immerhin ausgeräumt, Rattles Detailarbeit machte sich dort und da bezahlt – und doch wollten sich die weiträumigen Spannungsbögen und packenden Aktschlüsse, wie man sie aus großartigen Aufführungen kennt, nicht recht einstellen: Bleibt vorerst die Hoffnung auf den zweiten „Ring“-Zyklus.

Immerhin hat Tomasz Konieczny als Wotan an Format gewonnen. Erstaunlich, wie viele Reserven er nach dem „Rheingold“ am Abend zuvor nun in der „Walküre“ mobilisieren konnte – und das sogar noch am Ende des dritten Aufzugs. Sein markanter, stellenweise fast durchdringender Bariton wirkt deshalb so schlagkräftig, weil er stets sofort anspricht und die Töne so unmittelbar trifft wie seines Speeres Spitze ihr Ziel. Die dazugehörige Schlagfertigkeit hingegen, im Sinn eines lebendig durchformten Dialoges nämlich, kam ihm aber zunehmend abhanden: Durch seine bekannt starken Vokalverfärbungen und die oft nach hinten rutschende Stimme verliert sein an sich wortbezogen kluger Vortrag an Relief und driftet ins Dunkel – schade, dass er sich dadurch selbst im Weg steht.

Blicke zwischen Fricka und Brünnhilde
In gleißendes vokales Licht rückt dagegen Evelyn Herlitzius die Partie der Brünnhilde. Manchmal scheint es, als sei in ihrem oft schonungslos bis zur Weißglut getriebenen Sopran jener verletzliche (und zugegebenermaßen auch: verletzte) Klang wiedergekehrt, den einst Hildegard Behrens so berührend eindringlich kultiviert hat – nur freilich in weitaus robusterer Verfassung. Und sie punktet als in jeder Sekunde präsente Darstellerin: Köstlich zu beobachten, welche Blicke da allein zwischen ihr und der gestrengen Fricka Michaela Schuster gewechselt werden. An dieser lässt sich zudem studieren, wie hoheitsvoll nuanciert man keppeln kann, wenn man das Recht auf seiner Seite weiß…

Da mag sich der gestandene Siegmund Christopher Ventris noch so sehr gegen sein Schicksal stemmen, er muss doch fallen: Im Dramatischen fast so souverän wie im Lyrischen ist er in dieser Rolle fast schon ein Veteran. 2003 hat er sie erstmals in Wien gesungen (übrigens neben Herlitzius als Sieglinde!), also noch in der alten Dresen-Inszenierung, in der er damals in eine von Schnee umtoste Jurte stolperte. In Rolf Glittenbergs großbürgerlichen Interieurs, in denen Mikhail Petrenko als keineswegs plakativ brutaler Hausherr Hunding herrschte, traf er nun auf Martina Serafin als reif tönende, auch in tieferen Lagen füllige Sieglinde. Ihr „hehrstes Wunder“ freilich dürfte noch etwas entspannter aufblühen, zumal Rattle, dem der dritte Aufzug stellenweise zur Materialschlacht geriet, an dieser Stelle durchaus Rücksicht nahm. Erneut viel Begeisterung, auch für Sven-Eric Bechtolfs Vampir-Walküren mit ihren spitzen Zähnen und manch dazu passenden Tönen.

Walter Weidringer | 18.05.2015

Wiener Zeitung

Das Wälsungenblut hat gekocht

“Merken Sie nicht, wie Wien wieder Weltstadt wird?”, fragte der hinterfotzige Helmut Qualtinger. Man darf dazu heute getrost Ja sagen. Auf den Life Ball folgt der Song Contest; und nebenher lassen Institutionen wie die Staatsoper, wie eigentlich auch sonst immer, Weltstars über das Hochkulturparkett gleiten. Derzeit dirigiert Sir Simon Rattle zwei Durchläufe von Wagners “Ring”; am Sonntag hat er mit der “Walküre” gewissermaßen den Halbkreis vollzogen.

Rattle – ist das nicht jener Feinspitz, der die große Geste zugunsten zarter Aromen verschmäht? Erstaunlich, wie wenig man hier davon hört. Im Repertoirefall (also: ohne üppige Probenzeit) sucht und findet der 60-jährige Brite vor allem geradlinigen Drive und hohe Emotionstemperaturen. Was freilich auch kein Geringes ist.

Und woran die Sänger Anteil haben. Dank Michaela Schuster artet der Staatsopernabend gar in Schauspielerei aus. Beklemmend, wie diese klangmächtige Fricka alle Waffen einer Ehefrau einsetzt, um ihren Wotan zum Pantoffelgott zu machen. Letzteren gibt erneut Tomasz Konieczny. Ein Wotan von so verhangenem Timbre bleibt Geschmackssache; er ist nun aber um kluge Klangnuancen reicher. Akzente setzt auch Mikhail Petrenko (Hunding), bei seinem Wiener Rollendebüt nur etwas übertrieben. Ganz im Heldenelement dafür Christopher Ventris (Siegmund), während seiner Sieglinde, der leidensgroßen Martina Serafin, zuletzt die Kraft schwindet. Problematischer die zarte Brünnhilde: Evelyn Herlitzius bleibt zwar bis zuletzt im Klangbild präsent, feiert angehörs ihrer Tongebung aber einen bedenklichen Pyrrhussieg. Dennoch ein starker Abend.

Christoph Irrgeher | 18.05.2015

operinwien.at

Starke Emotionen, herausgeforderte Stimmen

Auf das „Rheingold“ folgt bekanntlich die „Walküre”, so auch im zweiten Durchgang des „Rattle-Rings” an der Wiener Staatsoper. Die Vorstellung hinterließ phasenweise einen emotional dichten, in der musikalischen Umsetzung aber zwiespältigen Eindruck.

Spannend war diese Aufführung. Spannend war auch, dass der kammermusikalische Ansatz des „Rheingolds” nur mehr punktuell zum Tragen kam. Simon Rattle knüpfte vielmehr beim etwas derb und trocken musizierten „Rheingold”-Finale an – und setzte in der „Walküre” noch eines drauf, so wie er durch die Schlusstakte des ersten Aufzugs „tobte“. Von „englischer Ironie” oder Understatement war da nichts mehr zu spüren. Gleichzeitig wurde aber auch klar, dass dieser Dirigent und dieses Orchester in Sachen „Ring” wohl erst beim Zusammenwachsen sind. Die etwas unausgewogene Einbindung des Blechs, die manchmal fast überfallsartigen Temposteigerungen – das war schon im „Rheingold” auffallend – mit denen Rattle plötzlich alles vorwärtsstürmen ließ wie ein Rennpferd in Ascot, das alles hätte wohl noch eines etwas längeren gemeinsamen „Beschnupperns” bedurft.

Schon im Vorspiel zum ersten Aufzug kamen die rauen Konturen deutlich heraus, die Rattle der „Walküre” angedeihen ließ, auch wenn in den ruhigeren Passagen noch die teils „impressionistisch“ anmutende Klangregie des „Rheingolds“ zum Tragen kam. Rattle gewann mit seinem griffigen Wagner jedenfalls einen großen Teil des Publikums für sich, ein Besucher ließ allerdings gleich nach dem verklungenen Feuerzauber einen Buhruf hören.

Wer den „Thielemann-Ring“ gehört hat, diese Wagner-Kathedrale aus Tönen, den hat Rattles „Nacherzählen“ wahrscheinlich nicht in Verzückung versetzt. Aber die Geschichte, die hier erzählt wird, ist doch ziemlich brutal, Rattle ist nur der Handlung gefolgt, ohne Überhöhung, ohne Berauschung. Die Aktschlüsse eins und zwei brachte er jedenfalls zur Gluthitze, den dritten Aufzug trieb Rattle – mit einer leichten Verflachung in der langen Wotan-Brünnhilden-Szene – pragmatisch dem Ende zu. Aber sein Dirigat hat polarisiert.

Tomasz Koniecznys markant auftrumpfender Wotan ist auch eine Frage des Geschmacks – obwohl ihm die „Walküre“ besser liegt als das „Rheingold“. Aber der Sänger gewinnt durch seine unerschöpflichen Energiereserven, die es ihm ermöglichen, diese Partie bis zum Schluss mit befeuernder Durchschlagskraft zu singen, ohne dass er dabei hörbar mehr aus seiner Stimme herauspressen müsste, als sie hergibt. Außerdem gelingt es ihm – wie an diesem Abend auch – Wotans Begierden und Nöte auf den Punkt zu bringen: etwa der Zusammenbruch im zweiten Akt, da stimmt das Timing, und Koniezcny weiß, was er tut, und er tut das mit Überzeugungskraft.

Stimmlich das genau Gegenteil war die Brünnhilde der Evelyn Herlitzius, die an darstellerischer Energie vielleicht alle Mitwirkenden an diesem Abend übertroffen hat – von einer „frechen” und noch ganz jugendlichen Walküre bis zum tragisch-hingebungsvollen Tochterschicksal im Finale des dritten. Aber es fiel (mir) nicht leicht, über ihren vernarbten Sopran hinwegzuhören, über diese immer wieder stark forcierte Stimme, aus der sich an diesem Abend viel zu deutlich heraushören ließ, dass die Sängerin seit Jahren gleichsam ohne Rücksicht auf Verluste im hochdramatischen Fach unterwegs ist.

Martina Serafin stand in Einsatz und emotionaler Überzeugungskraft Herlitzius kaum nach, aber auch sie trieb ihren Sopran, der ohnehin oft von einem unterschwelligen metallischen Flackern begleitet wurde, immer wieder über den „grünen Bereich” hinaus. Derart wurde zwar die extreme Situation deutlich, die Sieglinde letztlich zum Erkennen des „hehrsten Wunders” treibt, das aber überforciert, alle andere als aufblühend erklang.

Michaela Schuster trat wieder für Elisabeth Kulman an, deren wohltönende, verführerische Fricka fürs erste wohl Operngeschichte ist. Schuster machte ihre Sache gut, ausdrucksstark, wenn auch ihr Mezzo in fordernderen Passagen leichte „Wirkung” zeigte. Christopher Ventris ist ein bewährter Siegmund. Sein angenehm gefärbter Tenor besitzt „lyrisches Metall” und der Abend gelang ihm sehr gut – und vor allem bleibt er mit seiner Stimme seit seinem Hausdebüt vor über zehn Jahren im Rahmen der Möglichkeiten und hält konstant sein Niveau.

Bleibt noch – neben den „soliden“ Walküren – der Hunding von Mikhail Petrenko, der in der Stimmfärbung und im Ausdruck zu weit von einem Hunding „herkömmlicher Statur“ entfernt war. Da war für meinen Geschmack wenig „Schwarzes“, kaum „Bedrohliches“ aus der Stimme des germanischen Sippenchefs herauszuhören. Allerdings hat auch Rattle das bedrohliche Potenzial des Hunding-Motivs ziemlich verschenkt – wie schon das Riesenmotiv im „Rheingold“.

Die Länge des Schlussapplauses dürfte wieder so um die zehn Minuten betragen haben. Bis auf den schon genannten Widerspruch fiel der Beifall stark und positiv für alle Beteiligten aus.

Dominik Troger | Wiener Staatsoper 31. Mai 2015

bachtrack.com

Tireless Herlitzius leads a memorable Walküre in Vienna

Sir Simon Rattle and the Vienna Philharmonic continued their musical journey of the Ring for the second evening, with a superb reading of the score that was sweeping, organic and yet at times finely detailed. With some memorable singing by the international cast, the evening simply flew by and left the audience both exhausted and jubilant.

There was no moment of awkward pacing that was sometimes present in Das Rheingold the previous evening. When the music slowed, as in Act I’s Siegmund/Sieglinde duet, the Annunciation of Death in Act II, and in Brünnhilde’s Act III plea to Wotan, the quiet and deliberate slowdown was most appropriate to bring out the intimate connection of the music and the text. Wotan’s farewell was also taken at a luxurious tempo, with the superb Wotan of Tomasz Konieczny rising to the challenge; he sustained the last note with his arms fully extended to the side as if to savor the moment himself.

Despite these isolated quiet moments, the overall performance was energetic and fast paced, especially the prelude to the second and third acts. Sir Simon focused again on the strings, especially the cello, whose sound was more prominent than ever. While the winds, brass and percussion sections all contributed exquisitely to the overall performance, the strings players worked the hardest, with some of them almost leaning out of their seats in their forward motion. They were also having a time of their life, responding to the challenge posed by a demanding maestro. The third act was often at a breakneck speed and volume, but Sir Simon was also mindful of the need of individual singers. And the singers met the maestro’s demand splendidly.

Martina Serafin brought her warm and rich soprano to express many facets of Sieglinde’s emotional turmoil. Her high notes were a natural extension of her middle voice, with no swooping or register breaking, and just bloomed effortlessly. Christopher Ventris may not be a strapping young Siegmund but he had maturity, wisdom and solid technique to portray a sympathetic character. His fine grained voice was most pleasing in the lower register, but he also rose to the challenge of “Winterstürme” and the Act I ending. Serafin and Ventris were both fine actors, and displayed good chemistry as they discovered their mutual attraction. Mikhail Petrenko as Hunding, with somewhat light bass baritone, unfortunately lacked the darkness both in voice and character needed to bring off Hunding’s savagery.

Tomasz Konieczny’s Wotan continued to grow in voice and stature. A fine actor, he was able to modulate every note and phrase to express emotional nuances of the text. His interaction with Fricka, the wife he no longer loved, played out as a domestic power struggle, while his scene with his soulmate Brünnhilde was heartbreaking. I will not soon forget the numerous shadings and colors he brought to Wotan’s farewell. Michaela Schuster played Fricka not so much as a nagging wife but as a defender of principles of law. Her solid and penetrating voice was most appropriate to the character, and her understated acting was effective. The eight valkyries all sang well individually and in ensemble.

The role of Brünnhilde is central to the Ring; some may argue that she is the true hero who brings to a close what her father Wotan, another central character, initiated. Evelyn Herlitzius is a petite woman who nevertheless has a tireless stamina and voice. She is also a very fine actress and moves well. While she hit all the notes accurately and on pitch, she was a bit stretched at the end, and her monochromic sound might become more of a problem as the character of Brünnhilde evolves in the next two operas.

The production by Sven-Eric Bechtolf was more successful in Die Walküre than in the largely minimalistic Das Rheingold. Hunting’s hut had a tall pole/tree in the center of a long table. A wolf was projected at the opening, signaling the presence of the twin’s father. In the second act, the front stage held rows of backless benches that essentially created a maze for the characters to negotiate, while at the back of the stage there were trees to hide them as needed. The stage was mostly dark, with lighting selectively and effectively used to illuminate performers.

The third act was played in an empty hall with doors on the side with large statues of nine horses in the center. The valkyries entered, manhandling the heroes. Their costumes of white dress with black markings was awkward as a big fluffy skirt hampered the image of the warrior women. Brünnhilde wore a more stylish long blue gown. The final moments of the opera were memorable as Wotan and Brünnhilde walked towards the back of stage hand in hand, with Brünnhilde simply collapsing on the floor in her sleep. Wotan covered her with a large white cloth, and the projected fire first illuminated the horses, and then gradually spread to the entire three walls of the stage to the ceiling. Amid the red flames and the shadowy figures of Wotan and horses, the music gradually faded into silence.

Ako Imamura | 18 May 2015

Rating
(5/10)
User Rating
(3/5)
Media Type/Label
Premiere
Technical Specifications
1920×1080, 1.9 Mbit/s, 3.1 GByte (MPEG-4)
Remarks
Webstream
This recording is part of a complete Ring cycle.