Tannhäuser

Andris Nelsons
Tschechischer Philharmonischer Chor Brünn
Bachchor Salzburg
Gewandhausorchester Leipzig
Date/Location
5 April 2023
Großes Festspielhaus Salzburg
Recording Type
  live  studio
  live compilation  live and studio
Cast
HermannGeorg Zeppenfeld
TannhäuserJonas Kaufmann
Wolfram von EschenbachChristian Gerhaher
Walther von der VogelweideSebastian Kohlhepp
BiterolfEdwin Crossley-Mercer
Heinrich der SchreiberDean Power
Reinmar von ZweterAlexander Köpeczi
ElisabethMarlis Petersen
VenusEmma Bell
Ein junger HirtEmily Pogorelc
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Reviews
Münchner Merkur

Erotik im Eco-Gang

Wer den Abend durchstehen will, braucht viel Koffein: „Tannhäuser“ bei den Salzburger Osterfestspielen wird unter Andris Nelsons in Zeitlupe aufgerollt. Jonas Kaufmann ist erstmals in der Titelrolle zu erleben.

Das Allerfürchterlichste, so pflegte René Kollo zu stöhnen, sei doch der erste „Tannhäuser“-Akt. Der Lobpreis an die Adresse von Liebesgöttin Venus, in knifflig hoher Lage notiert, dies auch noch in immer neuen Anläufen, die Dauer-Exaltation bis zum rettenden „Maria!“-Ruf, und dann auch noch alles in der aufgeplusterten Pariser Zweitfassung – viele Tenöre sind da schon zur ersten Pause kurz vor dem Kolbenfresser. Es sei denn, man macht es so wie Jonas Kaufmann. Erstmals riskierte der Ex-Münchner und Neu-Salzburger Richard Wagners Stimmbandkiller. Und erklärte vorab, ganz einfach sei das: Man müsse ihn schlicht wie eine italienische Tenor-Partie begreifen.

Im Großen Festspielhaus Salzburg, zur Eröffnung der Osterfestspiele, klingt das so: sehr lyrisch, sehr zurückgenommen, was Raum zur Gestaltung und zum Texttransport eröffnet. Man ist überrascht von Kaufmanns Filigranarbeit, lässt sich – abgesehen von den 50er-Jahre-Schluchzern – sogar verzaubern. Nur: Viel kommt dann nicht mehr. Kaufmann, der zu Beginn seines sechsten Lebensjahrzehnts die Checkliste der großen Heldenpartien abhakt, ist ja klug genug. Die Blöße, dass hier einer zu weit übers Stimmfach hinausgreift, will er sich nicht geben. Also laviert er sich mit angezogener Handbremse durchs Stück. In der gefürchteten „Erbarm’ dich“-Klage am Ende des zweiten Akts blendet er sich fast säuselnd weg. Um in der finalen, bequemer gelagerten „Rom-Erzählung“ expressive, drastische Mini-Momente nachzureichen. Ergebnis ist: Kaufmann kommt durch, allerdings nur im Eco-Gang. Vom Existenziellen der Partie, von der lodernden Erotik, vom tödlichen Scheitern an der Liebe, vom gesellschaftlichen Grenzgang Tannhäusers, der sich eben auch klanglich manifestiert, hört man fast nichts (Handlung am Ende des Artikels).

Unheilige Allianz zwischen Dirigent und Regisseur
Für die Osterfestspiele, weltweit exklusivstes Festival, ist Kaufmann Lockvogel Nummer eins. Die Rechnung geht auf. Alle drei Aufführungen sind bei Preisen bis zu 490 Euro ausverkauft. Es ist das Jahr eins nach Christian Thielemann und seiner Staatskapelle Dresden, die man bekanntlich hinauskomplimentiert hat. Und damit ein schweres Erbe für Andris Nelsons und sein Gewandhausorchester Leipzig, die nur für einen Festival-Durchgang an die Salzach reisten. Tatsächlich wird dieses Engagement zum größten Problemfall der Premiere.

Nelsons liebt die Partitur, das merkt man. In manche Details ist er geradezu verknallt. So sehr, dass der Abend schon im Venusberg zu versickern droht. Statt Ecstasy hat das Liebesvolk dort Tranquilizer eingeworfen. Und auch sonst hängt die Deutung gefährlich durch. Zupackendes gibt’s nur bei den hingeklotzten Akt-Schlüssen. Vieles ist fein und kundig hervorgehoben, manches auch, Zeitlupe kann ein Orchester stressen, intonatorisch knapp. Statt Drama vernimmt man Geschmäcklerisches. Eine unheilige Allianz mit der Regie ist die Folge.

Für seine ersten Osterfestspiele als Alleinherrscher hat sich Intendant Nikolaus Bachler von seiner früheren Münchner Staatsopern-Wirkungsstätte die Inszenierung Romeo Castelluccis mitgebracht (die kommende Saison zurückwandert an die Isar). Neue Details gibt es. Doch bleibt der Eindruck eines lebenden Coffetable-Buchs: Als Fotos funktionieren Castelluccis raunende Bilder wunderbar, als Stück-Deutung sind sie kurz vor dem Totalausfall. Sängerinnen und Sänger werden zum szenischen Ornament verdammt. Was bleibt, ist eine kühle, asiatisch angehauchte Mega-Meditation über Vergänglichkeit und Verführung, rätselhaft und in ihre Ästhetik verpanzert, Symbolismus aus der Edel-Boutique. Als ob Wagner nur Schablonen erfand und keine Charaktere. Was bedeutet: Das Bühnenpersonal ist als Selbsthilfegruppe unterwegs.

Größter Applaus für Christian Gerhaher
Und hier gibt es Glücksfälle, nicht nur in den Hauptpartien. Sebastian Kohlhepp macht seinen Walther zum Kurzzeit-Mittelpunkt und führt vor, das tenoral Raumgreifendes ganz ohne Forcieren, dafür mit Glanz und kluger Technik möglich ist. Marlis Petersen versucht sich mit der Elisabeth an ihrer ersten Wagner-Partie. Dass sie über keinen dramatisch blühenden Sopran verfügt, weiß sie selbst. Dafür gibt es eine Textarbeit, eine Formung von Vokalen und Konsonanten, die ihresgleichen sucht. Auch bei Georg Zeppenfelds Landgraf springt einem die Intelligenz aus jeder Phrase, jeder Silbe entgegen. Emma Bell, spät in die Proben für Elina Garanča eingestiegen, ist eine solide Venus. Der Tschechische Philharmonische Chor aus Brünn und der Bachchor aus Salzburg absolvieren ihre Aufgabe achtbar.

Am allerweitesten in der Feinabschmeckung kommt erwartungsgemäß Christian Gerhaher, das war schon 2017 bei der Premiere in München so. Das Drama Wolframs offenbart sich allein durch sein gestisches Singen und ohne Regie. Wo Inszenierung und Dirigat fast völlig ausfallen, genießt Gerhaher alle Freiheiten, in seiner Deutungswut und Klangpuzzelei überschreitet er auch Grenzen. Das Publikum ist außer sich. Wenigstens einer riskiert hier was.

Markus Thiel | 02.04.2023

nmz.de

Zum ersten Mal zu den Osterfestspielen Salzburg: Wagners „Tannhäuser“

Das Jahr der Debüts: Andris Nelsons dirigiert erstmals Oper mit dem Gewandhausorchester, Jonas Kaufmann singt seinen ersten „Tannhäuser“.

Die Osterfestspiele Salzburg bleiben auch 2023 in sächsischer Hand. Nach zehn Jahren mit der Staatskapelle Dresden als festem Residenzorchester ist nun das Gewandhausorchester Leipzig angetreten, allerdings nur für den aktuellen Jahrgang. In den kommenden zwei Jahren wird das „neue Konzept“ von Intendant Nikolaus Bachler mit wechselnden Orchestern fortgesetzt, bevor dann 2026 die Berliner Philharmoniker wieder an die Salzach zurückkehren, mit denen Herbert von Karajan dieses Musikfest 1967 ins Leben rief.

Das Gewandhausorchester ist nicht nur das älteste deutsche Bürgerorchester, sondern auch einer der zahlenmäßig größten Klangköper. Nur so war es möglich, dass zeitgleich an der Oper Leipzig die Premiere von Georg Friedrich Händels „Giulio Cesare in Egitto“ und zu den Osterfestspielen Salzburg Richard Wagners „Tannhäuser“ bestritten werden konnte. Das Gewandhauskapellmeister Andris Nelsons ausgerechnet im Großen Festspielhaus seine erste Musiktheaterproduktion mit diesem Orchester realisiert hat, dürfte das Leipziger Publikum möglicherweise ein wenig eifersüchtig gemacht haben.

Sein Operndebüt mit diesem Orchester war nun aber nicht nur einfach so eine Premiere, sondern der erste „Tannhäuser“ zu den Osterfestspielen Salzburg überhaupt. Und das, obwohl es dort seit Gründung der Festspiele eine reiche Wagner-Tradition gegeben hat, die nicht zuletzt während der zehn Jahre währenden Residenz der Sächsischen Staatskapelle mit „Parsifal“, „Walküre“, „Meistersingern“ und „Lohengrin“ fortgeführt worden war.

Das Gewandhausorchester gastierte nach dem Tod Herbert von Karajans bereits im Jahr 1990 bei den Osterfestspielen, damals mit Beethovens „Fidelio“ unter der musikalischen Leitung von Kurt Masur. Der aktuelle Gewandhauskapellmeister Andris Nelsons stemmte nun Wagners „Tannhäuser und der Sängerkrieg auf Wartburg“, wie die 1845 in Dresden uraufgeführte Romantische Oper vollständig heißt, in der sogenannten Pariser Fassung und wurde mitsamt dem Orchester heftig gefeiert. Unter dem gestisch sehr zurückhaltenden Dirigat des Letten ist Wagners Musik geradezu aufgeblüht, er ging das Risiko ein, mit verhaltenen Tempi große Spannung zu erzeugen, die glücklicherweise in keinem Moment abriss, teilweise sogar für Gänsehaut sorgte. Einige Buhrufe bekundeten freilich auch Unbehagen an dieser Interpretation.

Herausragend: Christian Gerhaer als Wolfram
Nelsons erste Oper mit dem Gewandhausorchester war gewürzt mit einer geradezu luxuriösen Besetzung in allen Partien, zudem mit drei namhaften Rollendebüts: Emma Bell ist relativ kurzfristig für die erkrankte Elīna Garanča als Venus eingesprungen, Marlis Petersen sang erstmals die Elisabeth, ebenso wie Jonas Kaufmann den Tannhäuser.

Anfangs wirkte der Tenor in diesem Part etwas angestrengt, als wolle er sich noch schonen, konnte sich aber mehr und mehr in diese Rolle hineinsteigern und spätestens im dritten Aufzug wirklich brillieren, wiewohl seine Rom-Erzählung dann doch ein wenig statisch geriet.

Durchweg grandios waren Emma Bell und Marlis Petersen – obwohl sie zwei sehr unterschiedliche Prinzipien verkörperten, die grenzenlos sinnliche Liebe und die religiös prüde Enthaltsamkeit. Auch der gesamte Sängerwettstreit war durchweg glänzend besetzt: Sebastian Kohlhepp als strahlend heller Walther von der Vogelweide, Edwin Crossley-Mercer als tiefschwarz klingender Biterolf, Dean Power als Heinrich der Schreiber und Alexander Köpeczi als Reinmar von Zweter – allesamt ohne Fehl und Tadel. Als Landgraf Hermann aber hat Georg Zeppenfeld einmal mehr Maßstäbe gesetzt (und wurde, da in Salzburg bestens bekannt, dafür auch heftig gefeiert); vor allem jedoch gefiel Christian Gerhaher in der Rolle des Wolfram von Eschenbach. Er gestaltete seinen Part geradezu liedhaft dezent, als würde er jeden einzelnen im Publikum persönlich ansingen wollen. Sein „Lied an den Abendstern“ geriet in dieser sehr verinnerlichten Form zu einem Höhepunkt des Abends. Bestens präpariert waren auch der Tschechische Philharmonische Chor Brno sowie der Bachchor Salzburg und nicht zuletzt die glockenhelle Emily Pogorelc als Stimme des Hirtenknaben.

Assoziationsreiche Bildsprache von Regisseur Romeo Castelucci
Der Salzburger „Tannhäuser“, eine Übernahme der 2017 an der Bayerischen Staatsoper München herausgekommen Produktion des italienischen Regisseurs Romeo Castellucci, war schon damals nicht unumstritten und erntete quasi erwartungsgemäß auch vom Publikum der Osterfestspiele geteilte Reaktionen. Castellucci hat seine sehr auf augenscheinliche Ästhetik angelegte Inszenierung komplett neu einstudiert und einmal mehr für Regie, Bühne, Kostüme nebst Licht verantwortlich gezeichnet. Visuell vermochte er großen Eindruck zu erzeugen, auch wenn sich sein schier überquellender Ideenschatz nicht in jedem Detail plausibel erschlossen hat. Schon während des Vorspiels gab es ein Bacchanal barbusiger Mädchen und Knaben (Choreografie Cindy van Acker), die mit Pfeil und Bogen in ein großes, alles sehendes Auge hineingeschossen haben. Diese Tanzorgien garnierten die gesamte Aufführung sehr wirkungsvoll, sind quasi der körpervolle Venusberg gewesen, manchmal nur bloße Staffage, aber immer in eindrucksvoller Bewegtheit.

Wenn eine Oper so sehr aufs Ästhetische angelegt ist, besteht allerdings die Gefahr, das Inhaltliches zu kurz kommt. Castellucci versteckt fehlende Personenführung hinter eindrucksvollen Bildern mit kontrastreichem Schwarzweiß, auch mal mit einem Elfenreigen vor wehenden Wolken und immer wieder mit dem Assoziationen weckendem Motiv des Pfeils. Der das Vergehen der Zeit versinnbildlichen soll, aber auch die ewige Wiederkehr dieser widerstreitenden Prinzipien darstellen kann: Liebe als Sucht, als Gier auf der einen – und völliger Verzicht auf Körperliches auf der anderen Seite. Tannhäuser will beides, steht am Ende aber enttäuscht und ohne alles da. „Göttliche“ Absolution in Rom blieb ihm verwehrt, wofür er sich charaktervoll giftend empört hat. Das Schicksal der gefügig den Tod wählenden Elisabeth macht ihn betroffen, sonst nichts.

Marlis Petersen hat ihre Keuschheit, ihr Frömmeln, ihre Hingabe an eine jenseitige Welt der Lustlosigkeit sehr lebensnah und überzeugend gespielt, bei der eigentlich eher diesseitiger Lebenslust zugewandten Venus hätte man sich von Emma Bell gern noch ein wenig mehr Feuer und Glut wünschen können.

Am Ende gab es reichlich Applaus für alle Beteiligten, besonders für Christian Gerhaher und Georg Zeppenfeld. Vereinzelte Buh-Rufe für Marlis Petersen und auch für Andris Nelsons wirkten angesichts der erbrachten Leistungen verstörend.

Michael Ernst | 03. 04. 2023

Abendzeitung

Jonas Kaufmann als “Tannhäuser”: Eingebremst in edler Routine

Der Tenor Jonas Kaufmann gibt sein Rollendebüt als “Tannhäuser” bei den Osterfestspielen in Salzburg.

Erst nach etwa 50 Minuten, beim ersten Solo von Christian Gerhahers Wolfram, erreicht die Aufführung eine halbwegs angemessene dramatische Betriebstemperatur. Gerhaher gestaltet die Musik, unterstreicht den Sinn mit vokalen Farben, schattiert sie zur Interpretation eines gutwilligen, aber innerlich gebrochenen Menschen. Dann steht, endlich, ein Künstler auf der Bühne, der mit souveräner Intelligenz Noten und Texte zum Leben erweckt und sie nicht nur abarbeitet.

Der Rest der Aufführung von Richard Wagners „Tannhäuser“ bei den Osterfestspielen Salzburg ist Edel-Routine. Dabei wird mit berühmten Namen nur so geprunkt. Im Orchestergraben sitzt das Leipziger Gewandhausorchester unter Andris Nelsons. Die Musiker stellen mit einem schönen, nicht zu weichen, feinherb-deutschen Orchesterklang ihre Vorzüge aus. Es könnte ein grandioser Wagner-Abend sein, aber der Gewandhauskapellmeister scheint zu “Tannhäuser” keine echte Beziehung entwickelt zu haben.

Dirigieren mit angezogener Handbremse
Nur wenn Wagner romantisch Weber klingt, wacht Nelsons auf. Das tönt dann frisch, transparent und lebendig artikuliert. Davon profitiert das normalerweise nicht sehr interessante Duett zwischen Elisabeth und Tannhäuser. Aber alles, was sich dem Musikdrama annähert, dirigiert Nelsons mit angezogener Handbremse und zähen Tempi, ohne den Mut zu einer Zuspitzung und schärferen Akzenten: Es ist vierstündiges, umständlich zelebriertes Requiem auf “Tannhäuser”.

Das hat auch mit dem Protagonisten zu tun: Die maximal schwierige Titelrolle ist, wie Tristan, für Jonas Kaufmann eine Grenzpartie. Er bewältigt sie mit seinem baritonal grundierten Tenor zwar ohne hörbare Anstrengung. Aber es fehlt der Überschuss an Kraft und Gestaltungsreserven, der diesen Sänger in italienischen und französischen Partien so interessant macht. Und daher scheint es eher unwahrscheinlich, dass Kaufmann den Tannhäuser nach diesem Debüt noch öfter singen wird.

Dass die drei Strophen der Venus-Hymne keine Steigerung bringen, mag als Schonung der Ressourcen bei diesem Rollendebüt durchgehen. Problematischer ist die halb gehauchte, halb geschluchzte Passage “Zum Heil den Sündigen zu führen”, in der die Solo-Stimme das Ensemble dominieren müsste. In dieser laut Wagners Selbstdeutung zentralen Passage geht Kaufmann fast unter.

Kaum “brünstiges Lebensfeuer” spürbar
Dass in Tannhäuser ein “brünstiges” und “allverzehrendes Lebensfeuer” lodern würde, wird in dieser Aufführung kaum jemals deutlich. Alles bleibt angesichts der von Kaufmann als Lohengrin oder Parsifal selbst gesetzten Maßstäbe maßvoll wie ein Liederabend im Frack, selbst in der Romerzählung wirkt Kaufmann mehr wie ein Musikbürokrat. Wie wenig der Sänger Wagners Musik interpretiert, fällt vor allem im Sängerkrieg auf, wenn er gemeinsam mit Christian Gerhaher auf der Bühne steht, der scheinbar mühelos die maximale Kunstfertigkeit herausstellt.

Damit mithalten kann nur Marlis Petersen. Die Elisabeth mag für sie eine Grenzpartie sein. Aber sie macht aus Wagners Gipsmadonna eine lebendige, leidenschaftlich liebende Frau. Ihr helles Timbre strahlt Jugendlichkeit aus, das leichte Flackern wirkte erotisch. Sicher ist sie kein genuin dramatischer Sopran, aber zu diesem Zeitpunkt ihrer Karriere kann sich diese kluge Interpretin und Gestalterin diesen Versuch leisten. Die Buhs waren absolut unangebracht.

Der Tschechische Philharmonische Chor Brünn und der Salzburger Bachchor wirkten nicht völlig homogen und auch nicht frei von Schärfen. Georg Zeppenfeld brachte als Landgraf die gewohnte Solidität ein. Die für Elina Garanca kurzfristig eingesprungene Emma Bell ist eine entwicklungsfähige, dunkel timbrierte Venus. Die Tiefendimensionen der Rolle in der erweiterten Wiener Fassung müsste sie sich allerdings noch erarbeiten.

Romeo Castelluccis Inszenierung war aus München entliehen, wo sie beim Publikum ziemlich unbeliebt ist. Es war trotzdem ein geschickter Schachzug, sie für drei Aufführungen nach Salzburg zu holen, denn der Regisseur ist dank “Salome” und “Don Giovanni” eine bekannte und auch sichere Marke der Festspiele im Sommer.

Die dezent überarbeitete Produktion hat ihre Stärken, etwa im Todesritual des dritten Akts, in der Präsenz des Venusbergs auf der Wartburg und in der Gliederung der Ensembles im zweiten Akt. Ihre Schwäche aber, das Herumstehen und das Kunstgewerbe, wirkte angesichts des übervorsichtigen Protagonisten und des gebremsten Dirigenten auf den Abend lähmend aus. Was schade ist, denn rein von der Papierform her hätte es der “Tannhäuser” des Jahrzehnts werden müssen.

Robert Braunmüller | 02. April 2023

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Media Type/Label
Technical Specifications
546 kbit/s VBR, 48.0 kHz, 612 MByte (flac)
Remarks
In-house recording from the Osterfestspiele Salzburg 2023
A production by Romeo Castellucci (2013, München 2017)